Kommasaufen geht ab

Konrad D. macht alles selbst. Erste-Hilfe-Kurs und Barmixer-Videos auf YouTube. Mit eiserner Selbstdisziplin bildet er sich regelmäßig fort, den größten Teil seiner Abfindung hat er vor zwei Jahren in Alkoholika investiert. „Ich will dieser Gesellschaft, die ich jahrelang schamlos ausgenommen habe, etwas zurückgeben. Kinder, die stressresistent sind und schreiben können, sind die beste Investition in eine erfolgreiche Zukunft. Bei mir natürlich eine Investition mit hochprozentiger Rendite.“

Während er die Diktate von Birte und den anderen korrigiert und seine Schüler im Freien eine Auszeit mit Elbblick nehmen, dürfen wir ihm über die Schulter schauen: „Eduard – so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter -, Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Pfropfreiser auf junge Stämme zu bringen.“ – „Typisch Rune“, erläutert Konrad D. stirnrunzelnd. „Er macht einfach alles richtig, sogar das Komma nach diesen kniffligen Gedankenstrichen. Manchmal frage ich mich, ob er hier das bekommt, was er braucht.“ Birte kommt am heutigen Tag mit zwei Fehlern davon, sie hat an Stelle der Gedankenstriche zwei Kommas gesetzt. Konrad D. macht zwei kleine rote Striche an den Rand. „Falsch ist falsch, so sind die Regeln. Und Kinder brauchen Regeln.“ Bei Snorre, 13, muss er heute besonders oft den Rotstift ansetzen: „Eduard, so, nennen, wir, einen, reichen, Baron, im, besten, Mannesalter,,,,,,“ Da hat sich doch der Fehlerteufel eingeschlichen. Unter 27 Kurzen wird Snorre, der später einmal Investmentbanker werden möchte, heute nicht nach Hause gehen.

Als Birte und die anderen gegangen und Snorre sicher im Krankenwagen verstaut ist, hat Konrad D. keine Zeit durchzuatmen. Er muss lüften, nass durchwischen, Getränke kalt stellen. Bald schon kommt die Abendklasse. Und der Wissensdurst ist schier unersättlich.

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