Endlos wiedergeboren

Puristen zupfen übrigens die Spielsteine nach dem Ende einer Runde vorsichtig wieder ab, aber in unserer schnelllebigen Zeit hat es sich eingespielt, zwischen zwei Quickie-Runden von 48 Stunden das Spielfeld einfach in die Ecke zu stellen. Darüber können wir nur die Nase rümpfen.

Außerdem findet sich dort auch das Übungsbuch “ ,Urdu‘ – schnell gelernt“. Mit einem Passwort kommt man auf die Website des Spieleverlags, wo man sich ein Benutzerkonto anlegt und dann in seiner individuellen Lerngeschwindigkeit die Grundlagen der Sprache „Urdu“ erwirbt. Das Spiel „Urdu“ wurde von dem Mitarbeiter eines Callcenters in Bangalore zwischen den Telefonaten entworfen, die Sprache „Urdu“ ist eine der 22 offiziellen Sprachen Indiens.

Als wir dann ungefähr Mitte Januar unsere Tests erfolgreich absolviert hatten, haben wir gleich einen Termin mit einem Spielleiter vereinbart. Mit jedem neuen Spiel bekommt man drei Gutscheine für den Besuch eines Spielleiters, der einen während der mehrwöchigen Spielrunde begleitet. Wie der Verlag dankenswerterweise erwähnt, wird diese Zeit für alle Beteiligten entspannter, wenn man ein Gästezimmer hat.

Da die Vorbereitungen für dieses anspruchsvolle und zugleich sehr vergnügliche Spiel mit einem gewissen Aufwand verbunden sind, sitzen wir denn nun hier, frisch registriert, und warten, ermattet und vorfreudig zugleich. „Urdu“ ist doch noch etwas anderes als „Völkerschlacht“ (Spiel des Jahres 2010) mit seinem dreidimensionalen Reliefspielplan oder als „Lemminge“ (Spiel des Jahres 2009), bei dem den 500 knopfgroßen Spielsteinen 500 Fellhüllen übergezogen werden müssen, ehe sie sich über die Große Klippe stürzen.

Der Tee in der Schale dampft, es klingelt, meine Tochter eilt zur Tür. Der Spielleiter kommt herein. Er verbeugt sich, wir verbeugen uns. „Am besten nehmen wir alle ein Kissen und setzen uns um den Spielplan.“ Es kann losgehen. Und stören Sie uns jetzt bitte bis Ostern – oder besser: bis Weihnachten nicht…

taz, 23. Januar 2012

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