Mach’s mir brasilianisch, Baby.

Nämlich beidfüßig. So isser, der Brasilianer. Spielt einfach immer nur so gut wie nötig. Das war schon 2002 so, als man jedesmal dachte: Hat nicht viel gefehlt und die hätten verloren. Dann gewannen sie aber doch. Im Halbfinale gegen die Türkei dank ihres überragenden Torhüters Marcos, der sich nicht zu Unrecht beschwerte, dass Kahn zum besten Patzer Torhüter des Turniers gewählt wurde. Und auch gegen den weißen Brasilianer und seine Kumpane wurden sie immer besser, je länger das Finale dauerte. Jetzt fängt das wieder an. Gerade noch ein ereignisarmes 0-0 gegen Portugal und jetzt, dribbel, schnibbel, wibbel, Chile mal eben zur Abendstunde abgefrühstückt und dabei zwar defensiv entnervend gut, aber eben nicht nur dunganös abwartend, sondern auch steil und geil in die Spitze. Kein Zufall, dass Abwehrmann Juan den ersten Akzent nach vorne setzte.

Hurra, endlich WELTmeisterschaft

Die Vorrunde ist zuende, Zeit ein wenig Bilanz zu ziehen. Von den 48 Vorrundenspielen habe ich fünf mit dem exakten Ergebnis und achtzehn von der Tendenz her richtig, darunter auch den Sieg der Slowakei gegen Italien, den ich mit 2-1 prognostiziert hatte. Bei den Achtelfinalkandidaten liege ich bei sieben Mannschaften mit der Platzierung in der Gruppe richtig, darunter auch mein chilenischer Geheimtipp auf Platz zwei, fünf weitere kamen zwar weiter, aber auf einem anderen Platz als erwartet. Auch Deutschland und Ghana tauschten die Plätze, ich hatte die Afrikaner als Gruppensieger eingestuft.

Die große Enttäuschung waren die afrikanischen Teams, nicht so sehr Südafrika, die wirklich eine brockenschwere Gruppe erwischt hatten, sondern vor allem Nigeria und Kamerun. Die Gastgeber und die beiden anderen konnten einen Vorsprung nicht verteidigen (gegen Mexiko, Griechenland, Dänemark) und schieden alle drei aus. Algerien war in der Gruppe C viel zu schüchtern. Die Elfenbeinküste hatte das Pech, in einer Gruppe mit den Vereinigten Betonwerken aus Portugal und Brasilien gelandet zu sein. Dass Portugal gegen niemand ausser Nordkorea Tore schießt, ist ein schlechter Witz. Ghana ist jetzt der afrikanische Hoffnungsträger und anders als vor vier Jahren ist die Hoffnung gar nicht mal so klein.

Was bei den Afrikanern auffiel, sind die taktischen Fortschritte. 1990 spielte Kamerun im englischen Stranfraum noch Jojo, anstatt das entscheidende 3-1 zu machen, heute sieht das vom Spielansatz bei allen sehr solide, sehr lehrbuchmäßig aus, manchmal auch langweilig. Das Überraschungsmoment, der gelegentlich genialisch aufblitzende Wahnsinn schlummert im Verborgenen. Die Skandalnudeln dieser WM kamen bisher aus Frankreich, Nordkorea und Italien. Auch das ist ein Hinweis auf zunehmende Professionalisierung in Afrika. Wichtig wäre eine gute Ausbildung für afrikanische Trainer. Die monats- oder jahresweise Verpflichtung von Europäern bringt nichts. Wenn bei europäischen Spitzenvereinen immer der kommunikative Aspekt des Trainer betont wird (muss Deutsch/Spanisch/Englisch) sprechen, gilt das erst recht für die besondere Situation in Afrika. Es wird aber noch dauern, bis die jetzige Spielergeneration ins Traineralter kommt. Auch da ist Drogba jemand, der die Dinge verändern kann. Er ist einer, „der als Spieler immer schon wie ein Trainer gedacht hat“, ein afrikanischer Sammer.

Bei der WM 2006 standen zehn europäische Mannschaften im Achtelfinale, diesmal sind es nur noch sechs, die sich nach dem Achtelfinale gegenseitig auf drei eliminiert haben werden. Sehr schön. Durch die großen und kleinen Überraschungen (Frankreich, Italien raus, Uruguay und USA Erster, England Zweiter, Japan, Südkorea, Chile dabei) wird aus der Vierergruppe Uruguay/USA/Südkorea/Ghana einer ins Halbfinale kommen. 2006 war das leider eine rein europäische Angelegenheit. Die belächelten Südamerikaner der zweiten Kategorie und die Gastgeber von 2002 haben aufgeholt, die Afrikaner hoffen auf Ghana. So wie ich.

Meine Tipps fürs Achtelfinale:

Uruguay – Südkorea  2-1 n.V.
Die Urus spielen endlich so wie ihre Hymne klingt, wie eine Ouvertüre von Mozart, und nicht mehr wie Rammstein. Bessere Abwehr schlägt gute Abwehr, für Südkorea war es trotzdem ein Riesenerfolg. 500000 früh um drei beim Public Viewing in Seoul, das ist nicht mehr zu toppen.

USA – Ghana 0-2
Die Ghanaer erzielen ihre ersten beiden Tore aus dem Spiel heraus, der Prince schlägt Donovan. Ghana kann im ersten K.O.-Spiel mehr zulegen, den USA geht nicht der Teamsprit, aber die fußballerische Substanz aus.

Deutschland – England 2-4 n.V.
Das einzige Ergebnis, mit dem die Engländer bei einer WM gegen Deutschland gewinnen können. Raus mit Applaus für Löws sich weiterhin stetig dezimierende Truppe. Aber vielleicht kommt ja alles ganz anders. Aus dem Hintergrund müßte Lahm schießen, Lahm schießt…

Argentinien – Mexiko 3-2
Was die Deutschen für England, sind die Argentinier für Mexiko: ein Alptraum mit 22 Beinen. Argentinien war beste Team der Vorrunde und wird trotz seiner Rumpelabwehr einfach wieder ein Tor mehr schießen.

Holland – Slowakei 5-4 n.V.
Die Holländer haben sich noch nicht verausgabt und kommen weiter. Sie müssen dabei an ihre Grenzen gehen. Robert Vittek macht Tor vier bis sieben und beschließt, nach Nürnberg zu wechseln, um dort die zehnte Meisterschaft klar zu machen.

Brasilien – Chile 3-4 n.E.
Sie haben richtig gehört: Dunga-Fußball darf auf die Dauer nicht belohnt werden. Und wer sonst als eine chilenische Mannschaft mit einem argentinischen Trainer kann diesen Job erledigen. Es wird 0-0 stehen nach 120 Minuten und dann kommt die große Stunde des chilenischen Torwarts Claudio Bravissimo.

Paraguay – Japan 1-3 n.V.
Japan hat im Turnier zugelegt, Paraguay hat abgebaut. Paraguay spielte insgesamt nicht schlecht, Japan spielte gegen Dänemark toll. Und Honda wollen wir noch ein bißchen länger sehen.

Spanien – Portugal 5-0
Ich hoffe, dass der Turnierfavorit endlich einmal spielt, was er kann und die Maurermeister vom Algarve wieder nach Hause schickt. Cristiano Ronaldo ist ein langweiliger Schönling, der von Mourinho alsbald abgeschoben werden wird.

Neuer Endspieltipp: Ghana – Argentinien. Mit den United People of Africa im Rücken könnte es klappen.

Per Aspera ad Astra

Die diesjährige 11Freunde-Location ist wirklich gelungen. Ein bißchen griechisches Amphitheater, ein bißchen postsozialistische Abraumhalde, ein bißchen Mad Max, sonnig und entspannt. Gestern jubelten sich dort ungefähr fünf Chile-Fans die Seele aus dem Leib, während der Kuh-Glocks-Klan wie schon viele andere mit dem Schiedsrichter haderte.

Bisher hat die Gruppe H eindeutig den größten Unterhaltungswert, wobei die Dänen gegen Kamerun auch sehr gut waren, und ich die Holländer bisher noch nicht gesehen habe. Morgen werden wir um 6.30 Uhr unsere Handtücher auf der Astra-Tribüne verteilen, damit wir dann gegen Ghana auch ein hübsches Plätzchen haben.