Jetzt mit großem Indianer-Horoskop

Zu seinem 60. Geburtstag hat der kicker Uli Hoeneß am 2.1. groß und lesenswert interviewt. Am 7.1. zog dann die Süddeutsche nach und bezog sich in jeder zweiten Frage auf das kicker-Interview. So etwas nennt man dann wohl Leitmedium.

Auf die Frage, wie sich nach dem Abgang des Feierbiests* van Gaal die Stimmung im Verein geändert hat, antwortet der große Nagetierversteher vom Tegernsee:

Das Gewässer fließt jetzt sauber und ruhig dahin, es gibt keinen Biber, der aufstaut. Es erfolgt ein ungezwungener Austausch.“

Ungezwungen wäre hinzuzufügen: Wenn die Robbe humpelt, macht das Schwein Übersteiger. Hugh und danke für das Gespräch.

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Frédéric Valin vom Blog Zum Blonden Engel hat mir den Ansgar-Brinkmann-Gedächtnispreis für meine Tatort-Kritik „Der Dreck, das Glück und der Tod“ vom 20. Juni 2011 verliehen. Frauenfußball mit Ulrike Folkerts. Obwohl ich ein äußerst ambivalentes Verhältnis zu Wer-braucht-Bielefeld habe, ist mir Ansgar Brinkmann tatsächlich nicht unwillkommen. Mein weißer Brasilianer ist zwar für immer Schnix, aber vielen Dank für die lobende Erwähnung. Warum mir der Bloggerkollege allerdings nachsagt, ich sei ein Wandervogel (wie Brinkmann), der ständig die URL wechselt, ist mir allerdings schleierhaft. Dies ist URL Nummer Drei in sechs Jahren, die lebenslange Beziehung zu URLi Hoeneß natürlich nicht mitgerechnet, von dem ich mir im schuldunfähigen Alter von noch nicht zehn Jahren einmal ein Autogramm geholt habe. Meine Wanderbewegungen sind eigentlich ganz überschaubar. Natürlich gibt es noch meine äußerst lesenswerte Autorenwebsite www.robalef.de mit den Literaturhinweisen, Satiren, Gedichten und Leseterminen, die über den Publikumsmagneten Volk ohne Raumdeckung jetzt systematisch aufgepäppelt wird, aber das läßt sich eigentlich gut auseinanderhalten.

Im Impressum beim Blonden Engel steht der schöne Satz: Ein Blog muss eine Kneipe sein. In diesem Sinne trinken wir auch im Jahr 2012 fleißig weiter.

*niederländisch für: party animal

Frauen sind was Wunderbares

Das Auftaktspiel am Sonntag war ein richtiges Sahnestückchen. Beim Spiel gegen Kanada war die Hütte voll und auch in einer kleinen und exklusiven Fanmeile im Bezirk Friedrichshain gab es kaum freie Plätze. Hertha wird seine neue volkstümliche Werbung nochmal stark verbessern müssen, um bei den Heimspielen mehr als 70.000 ZuschauerInnen anzulocken.

Im Chancen versemmeln standen die DFB-Frauen Borussia Dortmund zwar nichts nach, aber auch im Munter-nach-vorne-spielen hatten sie einiges zu bieten. Es gab einige Katastrophen-Fehlpässe in der Defensive, mit denen ein abgebrühteres Team als Kanada vermutlich viel Unheil hätte anrichten können. Taktisch war das Spiel von beiden Seiten besser, als das, was die meisten Bundesliga-Teams anzubieten haben. Die deutschen Außenstürmerinnen tauschten die Flügel, schnelles Direktspiel von beiden Seiten, gute Standards (Traumtor von Sinclair) und kaum Leerlauf. Keine Theatralik, keine Rudelbildung, keine Hahnen (Hennen?)kämpfe, kein dreimaliges Abrollen nach Foul, fast keine Fouls. Niemand forderte Gelb, niemand gestikulierte. Einfach nur Fußball. Bei dem Lattenkracher von Laudehr in der zweiten Halbzeit dachte ich mir nicht mehr: Ganz schön strammer Schuß für eine Frau, mein erster Gedanke ging zu Juninho Pernambuco und ich fragte, ob Schäfer den wohl gehabt hätte.

Vielleicht ist es so ähnlich wie in der Rezeptionsgeschichte des Jazz: Erfunden in den USA, gibt es dort eine unvergleichliche Vielfalt unterschiedlicher lokaler Idiome und eine tiefere Verankerung über viele Generationen hinweg. Der europäische Jazz ist anders, jünger, urbaner, aber hat seine eigene Sprache längst gefunden. Es macht wenig Sinn, Louis Sclavis gegen John Coltrane auszuspielen oder umgekehrt. In den USA ist die Konkurrenz eine ganz andere, das Feld ist riesig. Im Männerfußball ist das auch so, und es gibt vor allem das unerschöpfliche Reservoir an Mythen, Legenden, unsterblichen, längst verstorbenen Spielern, viele Schichten zahlreicher Kollektiverfahrungen. Der tanzende Thelonious Monk hat eine ähnliche Erinnerungsaura wie Pelé, beide aus den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Dieser Vorlauf läßt sich für die Frauen weder nachholen noch imitieren. Aber die Frage „Wo warst du beim Eröffnungsspiel 2011?“ enthält bereits das mythische Potenzial für kommende „Weißt du noch damals“- Kneipengespräche, die den Fußball zur unvergleichlichen sozialen Praxis machen. Seinen eigenen (künsterlischen) Ausdruck hat der Frauenfußball längst gefunden.