Meine Bundesliga-Saison-Bilanz 2015/16

Am 14. August 2015 habe ich an dieser Stelle eine Saisonprognose abgegeben. Bevor nun alle darüber diskutieren, ob Poldi und Schweini zusammen so viele Spielminuten auf dem Platz stehen werden wie Sané alleine, hier noch schnell die Qualitätskontrolle.

Prognose: Platz 1 Borussia Mönchengladbach, weil Fohlenflüsterer Lucien Favre die richtigen Worte findet, und Traoré und Hazard alle an die Wand spielen.

Ergebnis: Platz 4. Nach einer wilden Saison darf André Schubert weiter flüstern und wird wohl auch für Christoph Kramer die richtigen Worte finden, damit es in der Champions League länger geht als bis zur Vorrunde.
Abweichung: 3 Plätze

Prognose: Platz 2 Schalke 04, weil sie mit André Breitenreider endlich den Taktikfuchs mit proletarischer Street Credibility haben, den sie brauchen.

Ergebnis: Platz 5. Mit Jens Keller zweimal in der Champions League, mit ohne Keller zweimal nicht, Heldt laß nach. Breitenreider war zu cholerisch für dieses Minen(um)feld. Trotzdem hat sich Königsblau einen Teil des verspielten Respekts zurückerarbeitet.
Abweichung: 1 Platz

Prognose: Platz 3  Borussia Dortmund, weil Thomas Tuchel ein verflucht guter Trainer ist, und Mikidingsbums die Saison seines Lebens spielt.

Ergebnis: Platz 2. In der Analyse richtig, dass sich der BVB gleich auf Platz zwei emporschwingt, war zu viel des Guten. Ein wenig Empathietraining könnte Tuchel nicht schaden. Kleines dickes Hitchcock sagte, Schauspieler seien wie Vieh, aber der war ja auch kein Konzepttrainer.
Abweichung: 1 Platz

Prognose: Platz 4 FSV Mainz 05, weil der Verein exzellent geführt ist, und viele Nobodys manchmal ein Spitzenteam ergeben.

Ergebnis: Platz 6. Mainz war lange mit dabei im Schneckenrennen um Platz 4, aber dann fehlte die Kaltschnäuzigkeit für ganz oben. Der Sieg in München war taktisch, ästhetisch und ethisch einer der Höhepunkte der Spielzeit.
Abweichung: 2 Plätze

Prognose: Platz 5 VfL Wolfsburg, weil die Mehrbelastung auf dem langen Weg nach Mailand den Sprit knapp werden läßt.

Ergebnis: Platz 8. Eine der Enttäuschungen der Saison. Zweimal – nach der Halbzeitführung von 0-1 in München am 6. Spieltag, und nach dem 2-0 im Hinspiel gegen Real Madrid – gab die Mannschaft eine exzellente Ausgangsposition ziemlich apathisch aus der Hand. Ist da die Handschrift des Trainers zu erkennen?
Abweichung: 3 Plätze

Prognose: Platz 6 Bayer Leverkusen, weil es nach dem guten ersten Jahr unter Roger Schmidt langsamer vorangeht auf dem Weg nach oben.

Ergebnis: Platz 3. Von wegen langsamer voran. Dank eines konsequenten Schlußspurts konsolidierte sich Bayer auf höchstem Niveau. Die Mannschaft spielt oft schön, kann aber auch gallig. Und Rauschebart Kießling bleibt der große alte Mann des Offensivzweikampfs . Abweichung: 3 Plätze

Prognose: Platz 7 Hertha BSC Berlin, weil Dardai der richtige Mann ist, und Kalou mindestens 20 Tore schießt.

Ergebnis: Platz 7. Der einzige Volltreffer, auch wenn Kalou nur 14 Tore schaffte. Dardai war manchmal bestimmt so sauer wie Tuchel, fand aber liebevollere Worte für seine Schützlinge, die mit Platz 3 in der neuen Saison überfordert gewesen wären.
Abweichung: Entfällt.

Prognose: Platz 8 VfB Stuttgart, weil Zorniger die neuen jungen Wilden formt, und es diesmal kaum Verletzungssorgen gibt.

Ergebnis: Platz 17. Zorniger wurde bald immer trauriger. War der Sprung vom Ex-Drittligisten Leipzig zu groß für ihn oder waren die Rahmenbedingungen zu chaotisch? Auch Kramny brachte keine Kontrolle mehr aufs Spielfeld, es folgte ein Absturz ins Bodenlose.
Abweichung: 9 Plätze

Prognose: Platz 9 1899 Hoffenheim, weil es nach guter Hinrunde in der Rückrunde keinen Totalabsturz gibt.

Ergebnis: Platz 15. Nach der Hinrunde mit 13 Punkten Letzter, kriegte die TSG unter Nagelsmann mit 24 Punkten in der Rückrunde (Platz 7) gerade noch so die Kurve. Die Magie der ersten Bundesligasaison unter Rangnick ist lange weg, dafür wird jetzt authentisch malocht.
Abweichung: 6 Plätze

Prognose: Platz 10 1. FC Köln, weil sie sich so unauffällig konsolidieren, dass ich sie in der ersten Version glatt vergessen hatte.

Ergebnis: Platz 9. Stöger und Schmadtke, der Wiener und der Düsseldorfer zeigen in Köln, dass Integration gelingen kann. 13 Unentschieden erzeugten keine Schreie der Entzückung, die Saison ohne Abstiegssorgen durchaus.
Abweichung: 1 Platz

Prognose: Platz 11 Eintracht Frankfurt, weil Veh keine gute Fee ist, die einem einfach drei Wünsche erfüllt, auch nicht Platz, 4, Platz 5 oder Platz 6.

Ergebnis: Platz 16. Dank Robert Kovac wurde diese Saison des Grauens nicht gegen die Wand gefahren. Als Tabellenletzter in der Auswärtstabelle rettete sich die Eintracht durch das Auswärtstor in Nürnberg. Geschichten, die nur der Fußball schreibt.
Abweichung: 5 Plätze

Prognose: Platz 12 Werder Bremen, weil die Mannschaft Zeit braucht, um sich zu finden.

Ergebnis: Platz 13. Wie es Skripnik gelungen ist, den Wonneproppen Junuzovic gegen sich aufzubringen, ist mir ein Rätsel. Aber dank Pizza und 23 Punkten in der Rückrunde erreicht Werder das rettende Ufer. Als Bundesligist ist mir die Mannschaft tausend Mal lieber als Stuttgart.
Abweichung: 1 Platz

Prognose: Platz 13 FC Augusburg, weil in der kommenden Saison andere Vereine das Momentum haben und die Europa League geistig erst verarbeitet werden muss.

Ergebnis: Platz 12: Wie immer kam der FCA spät auf Touren, aber es reichte am Ende ohne größeren Qualen. Die Europa League war ein großer Moment, aber wohl auch nur eine Momentaufnahme.
Abweichung: 1 Platz

Prognose: Platz 14 Hannover 96, weil der Augenblick, einen neuen Sportdirektor einzuarbeiten, ungünstiger nicht gewählt sein könnte.

Ergebnis: Platz 18. 2010/11 Platz 4, vier Jahre später sang- und klanglos Tabellenletzter. Ist es zu einfach zu sagen, dass der große Knacks die Entlassung von Schmadtke war?  Stindls Weggang zu Gladbach war ein großer Verlust, der große Thomas Schaaf mühte sich vergeblich. Bader kann man manches vorwerfen, diesen Abstieg nicht.
Abweichung: 4 Plätze

Prognose: Platz 15 SV Darmstadt 98, weil der Wahnsinn einen Namen hat.

Ergebnis: Platz 14. Schaut die Lilien auf dem Felde, sie geben keine Millionenbeträge aus und trotzdem bleiben sie drin. Wahnsinn, wie schnell diese verschworene Gemeinschaft, die zwei Aufstiege und einen Klassenerhalt in drei Jahren gemeistert hat, auseinander geflogen ist. Insgesamt sehr solide am eigenen Mythos gearbeitet.
Abweichung: 1 Platz

Prognose : Platz 16 Bayern München, weil der Wurm drin ist, und ich in letzter Zeit immer an die Buddenbrooks denken muss, wenn ich Matthias Sammer sehe. In der Relegation geht es dann gegen Nürnberg.

Ergebnis: Platz 1. Wer hätte gedacht, dass diese Mannschaft bereits am 14. Spieltag mit dem Abstieg nichts mehr zu tun hat? Auch der dritte Halbfinal-KO in der Champions League kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Bayern Meister geworden ist. Allerdings sah die Rückrunde meist eher hölzern und überspielt aus. Ein Bild der Saison ist Ribéry, der sich im Pokalfinale über die Bande quält.
Abweichung: 15 Plätze, aber der Club in der Relegation war richtig.

Prognose: Platz 17 HSV, weil ihn diesmal kein Kühne, Schiri, höheres Wesen noch Tribun retten können.

Ergebnis: Platz 10. Im Vergleich zu den Vorsaisons ein Quantensprung. Es war selten schön, manchmal schmerzhaft, aber Labbadia hat ein Team organisiert, das sich zu wehren wußte. Und die Fans lieben ihren HSV abgöttisch, das war in dieser Saison mehr zu spüren als in den Jahren davor.
Abweichung: 7 Plätze

Prognose: Platz 18 FC Ingolstadt, weil er wie Fürth bei seinem Kurzauftritt mit der Bundesliga fremdelt.

Ergebnis: Platz 11. Wir müssen uns wohl daran gewöhnen, dass es einen Verein mit einer Spielanlage wie Energie Cottbus mit viel, viel Geld in der Liga gibt. Einer muss der Ugly Motherfucker sein.
Abweichung: 7 Plätze

Doch genug jetzt von alten Weissagungen, nur noch vier Tage bis zum ersten Highlight der EM. am 11. Juni steigt das Spiel von zwei der etwa 16 Geheimfavoriten: Wales trifft auf die Slowakei. Vor zehn Jahren wäre das Ryan Giggs gegen Marek Mintal gewesen, doch auch so wächst die Vorfreude.

Zweite Liga rockt

Nur noch vier Tage, dann beginnt sie: die beste Zweite Liga aller Zeiten seit der besten Liga aller Zeiten vom Sommer 2014. Mit Bielefeld und Duisburg kehren zwei legendäre Ex-Bundesligisten in den Kreis der glorreichen 18 zurück. Mit den Münchner Löwen hat ein Verein mit hohem Unterhaltungswert die Klasse gehalten. Wenn die Roten früher der FC Hollywood war, dann sind die Löwen der TSV Komödienstadl, die Daily Soap in flauschiblau. Das Personal wechselt schneller als bei Game of Thrones und die Ansprüche sind höher als der Olympiaturm.

Ein Lichtblick sind auch die Roten Bullen aus Leipzig. Dieses wüste und wahllose Bashing leuchtet mir nicht ein. Rangnick ist einer der klügsten und innovativsten Köpfe im Fußball, die beiden Leipziger Traditionsvereine hatten 20 Jahre Zeit, um ihre eigene Fußballkultur aufzubauen. Stattdessen gab es eine liebevoll gepflegte Feindschaft ohne nennenswerte sportliche Außenwirkung. Es ist traurig, dass die Ostvereine mit Ausnahme von Union so weit unten stehen. Egal, ob Cottbus, Rostock oder Dresden, alle haben sich ihre Situation durch hausgemachte Fehler selbst eingebrockt, es waren nicht die bösen Großsponsoren, die den Niedergang herbei geführt haben. Leipzig hat eingekauft wie irre, zugegebenermaßen, aber entscheidender ist, dass Rangnick sportlich das Sagen hat. Außerdem schießt Geld tatsächlich keine (entscheidenden) Tore, wie das Mittelmaß der Premier League zeigt. In den nächsten Jahren kann Leipzig für den Fußball im Osten eine Leuchtturmfunktion übernehmen. Das heißt nicht, dass jeder Verein einen exotischen Milliardär in der Hinterhand haben muss, sondern, dass langer Atem und Strategie auch bei Traditionsvereinen funktionieren können. Bielefeld und Duisburg, Braunschweig und Darmstadt sind Beispiele aus den letzten Jahren.

Das Feld ist ausgeglichen wie nie, man muss suchen, um eine Mannschaft zu finden, die nicht zumindest inoffiziellen Aufstiegsambitionen hat. Außer den beiden Aufsteigern fallen mir nur Sandhausen und der FSV Frankfurt ein. Zusammen mit Leipzig und Union sind das die beiden Vereine, die noch nie in der Bundesliga waren.

Zu den unter den Hand gehandelten Aufstiegsanwärtern gehört natürlich auch wie immer der 1. FC Nürnberg. René Weiler, der aktuelle Trainer mit Langzeitperspektive beim Club, hat als Saisonziel einen Platz unter den ersten Sechs ausgegeben. Dafür hätte der Club in der Vorsaison 50 Punkte gebraucht, also einen Schnitt von 1,4705 Punkten. Erreicht hat Weiler in den 21 Spielen der Vorsaison 1,4761 Punkte. Weiler will den Club also um 55 Tausendstel schlechter machen, um besser zu werden. Das klingt nach langfristiger, nach sehr langfristiger Aufstiegsstrategie. Aber besser den Ball flach halten anstatt wieder Dresche kriegen für unerreichbar hohe Ziele. Für Platz zwei (59 Punkte) brauchte man in der Vorsaison 1,74 Punkte pro Spiel.

Valérien Ismaël, Weilers Vorgänger ohne jeglichen Rückhalt, war in den ersten 13 Spielen auf 14 Punkte gekommen. Der Punkteschnitt von 1,08 hätte am Ende 36,7 Punkte ergeben. Mit 37 hätte der Club die Klasse glatt gehalten. Egal, Nürnberg hat in der Vorbereitung den Viertligisten Schweinfurt 05 mit 1-0 förmlich gegen die Wand gespielt, und gegen Celta Vigo ein 2-2- erkämpft. Da kommt der Auftakt in Freiburg gerade recht. Weiler und Ismaël sprechen beide Französisch. In diesem Sinne: Laissez les bons temps rouler!

 

Schöne Bescherung – Bader kriegt einen Trainergutschein

Schwupp, da war der Trainer weg. Hübsch eingefädelt vom Strippenzieher Allofs, dieser Wechsel. Pünktlich zum Fest beschenkt sich der Manager des VfL Wolfsburg selbst und  sein Kollege Martin Bader beim 1. FC Nürnberg bleibt muss sich mit einem Gutschein über „1 Cheftrainer, neu oder gebraucht“ auf dem Gabentisch begnügen.

Ob Hecking sich damit einen Gefallen tut, ich habe meine Zweifel. Wolfsburg hegt seit der Meisterschaft 2009 äußerst ambitionierte, um nicht zu sagen, überkandidelte Ziele. Und die 40 Punkte plus X, die er in Franken regelmäßig eingefahren hat, werden beim leider stets tragisch verhinderten Champions-League-Teilnehmer für eine erfolgreiche Saison nicht ausreichen. Könnte sein, dass Hecking sich ähnlich verzockt hat wie sein einstiger Zögling Schlaudraff mit seinem Wechsel zu den Bayern. Hoffentlich hat sich der Club nicht nur eine Ablöse, sondern auch die Verpflichtung von Alexander Madlung und Sebastian Polter bei diesem Deal gesichert.

Muss eigentlich nur noch geklärt werden, wer Hecking nachfolgt. Peter Neururer wird zwar immer genannt, wenn der Club einen Trainer sucht, aber der leistet als Fachkommentator bei Sport 1 einen so hervorragenden Job, dass ich ihn mir gar nicht auf der Trainerbank vorstellen möchte. Jedenfalls nicht beim Club. Lothar „Weltbürger“ Matthäus, der mittlerweile fast so oft geheiratet hat wie der Club abgestiegen ist,  würde den Verein in kürzester Zeit zwar bekannter machen als Justin Bieber und Lady Gaga zusammen. Jedoch lassen sich die umfassenden familiären Verpflichtungen des Rekordnationalspielers mit einer derartig verantwortlichen Position nicht vereinbaren.

Markus Babbel muss Hoffenheim erst einmal verdauen und einen Trainer, der sich nur für die Bayern in Stellung bringen möchte, mag ich nicht.  Ralf Rangnick wäre toll, aber gegen die Aufgabe, RB Leipzig in die Dritte Liga und RB Salzburg zum Fußballspielen zu bringen, nimmt sich das Ziel, den Club zur Deutschen Meisterschaft zu führen, viel zu simpel aus. Huub Stevens passt mit seinem mürrischen, wortkargen Pessimismus zwar hervorragend zur fränkischen Lebensart, aber ob er sich wirklich noch einmal motivieren kann, nachdem er mit Raul gearbeitet hat, wer weiß.

Mein Favorit ist nach wie vor Klaus Toppmöller, dessen Bundesligakarriere nicht durch Unvermögen, sondern durch Robert Hoyzer zerstört wurde. Toppi hat mit Frankfurt und Leverkusen Fußball spielen lassen, der noch schöner war als das, was Klopp seinen Duracell-Häschen beigebracht hat. Und fürs erste wären in Nürnberg mit dreimal Vize alle auch ganz zufrieden. Toppmöller ist sehr erfahren, hat ein Händchen für junge Spieler, liebt die Offensive und weiß, wie man die Bayern düpiert. Im Moment ist er vertragslos.

Aber vielleicht springt Hans Meyer für ein halbes Jahr ein, oder Andy Köpke hat eine Ausstiegsklausel beim DFB. Oder Dieter Eckstein kommt. Der Publikumsliebling betreut zur Zeit den DJK/SV Mitteleschenbach in der A-Klasse Frankenhöhe und wäre quasi die klassische Eigengewächslösung. Abwarten und Tee trinken. Apropos Tee – wo steckt eigentlich Felix Magath?