…Eisern Union ist Tabellenführer der 2. Liga. Den 1-0-Sieg gegen fade Rostocker habe ich im in monatelanger Eigenarbeit – werde eins mit deinem Projekt – neuen Stadion an der Alten Försterei live gesehen. Umringt von Tausenden von sanges- und klatschfreudigen extremkurzhaarschnittigen Fans. Es gab ein reiches Arsenal völkischer Merchandisingprodukte zu bewundern am S-Bahnhof-Vorplatz, zum Beispiel mit runzlig-runigen Lettern bedruckte T-Shirts (Treue-Hemden), die martialische Parolen verkündeten. Ein junger Mann trug eine solches T-Hemd, auf dem Rücken waren zwei Pitbull-Köpfe zu sehen, zusammen mit dem Spruch: Nicht schuldig im Sinne der Anklage. Ob das eine Reverenz an den großen Pitbull-Freund Hjalmar Schacht sein soll, der ja bekanntlich auch auf nicht schuldig plädierte, blieb unbekannt.
Zugleich waren auch Hemden zu sehen, die die Fanfreundschaft zwischen St. Pauli und Union beschworen. Nicht nur deswegen war die Stimmung entspannt, freudig und derbe, wie es sich in einem Stadion mit 80 Prozent Stehplätzen gehört. Die Haupttribüne ist winzig. Dorthin verfrachtet der gemeine Unioner seine fußballbegeisterte Großmutter, um sie nach 90 Minuten vorschriftsmäßig wieder abzuholen, um mit ihr zu feiern. Bei einem Querschläger an der Außenlinie knallte der Ball erst unter das Dach der Haupttribüne und von dort mit Karacho in die versammelte Sitzriege. Einmal ging der Ball sogar übers Dach. Erst dachte ich, wer schießt, der holt, aber es gab noch einen zweiten Ball im Stadion.
Besonders angenehm war die Begrüßungsformel für die gegnerischen Spieler. An Stelle des nichtswürdigen „Arschloch“ erscholl jedesmal ein gelassenes „Na und!“. Und an diesem Abend sicherlich zurecht. Rostock wirkte irgendwie sediert, Union hätte auch 4-1 gewinnen können, wobei eine weiße Weste nach drei Spielen ziemlich schick aussieht. Ob das noch lange so bleibt? Das Kopfballspiel der Hintermannschaft ist erratisch, insbesondere Bemben und Stuff hatten große Freude daran, sich den Ball wahllos auf den Kopf fallen zu lassen. Vielleicht würde ihnen ein Kurzhaarschnitt gut tun. Neuzugang Mosquera erlebte in der ersten Halbzeit eine klassische Stürmersaga. Er verlor jeden Zweikampf, rannte sich pausenlos fest, verpatzte den letzten Paß und erstocherte das 1-0 nach Getümmel im Rostocker Strafraum. Zweifellos eine Verstärkung, wenn er auch noch braucht, um die ruppige Gangart in der Zweiten Liga zu verdauen.
Verdauen müssen die Unioner im Moment die Tatsache, dass ihr Hauptsponsor Czilinsky ehemaliger Hauptmann des MfS ist. Andererseits: Zeugt es nicht von einem geradezu dialektischen Willen, es niemandem recht machen zu wollen, wenn man vor 1989 ohne MfS und nach 1989 mit MfS Fußball mit Hirn und Herz spielt. Das gallige Dorf in Köpenick wird sogar verkraften, dass Nina „die Hymne“ Hagen sich taufen läßt. Das ewige Leben haben die Unioner sowieso. Es steht auf jedem zweiten Treuehemd.