„Stell dir vor, du bist ein Migräneanfall.“

„Nürnberg am Abgrund“, behauptete Bernd Schmelzer am Samstag in der Sportschau bei der Zusammenfassung der 0-1 Niederlage gegen Bochum. Ich finde das schamlos übetrieben, die Niederlage ist zwar ärgerlich, aber nicht wirklich verwunderlich. Die Mannschaft braucht Zeit, vermutlich bis zum Ende der Hinrunde.

Als Maroh und Risse für Wolf und Kluge eingewechselt waren, betrug der Altersdurchschnitt der elf Spieler auf dem Platz 23 Jahre. Mich würde interessieren, wer in der Bundesliga die jüngste Startelf aller Zeiten aufgeboten hat. Sehr viel jünger wird sie nicht gewesen sein. Noch deutlicher werden die Zahlen, wenn man auf die Einsätze schaut. Einschließlich Schäfer hatte die Elf in der 61. Minute 355 Bundesligaspiele, die zehn Feldspieler 227. Paul Freier von Bochum bringt es alleine auf 228, Dabrowski auf 251.

Das Spiel wurde – wie das gegen Bayern – durch eine Hereingabe über die linke Nürnberger Abwehrseite (Judt, 4 Bl-Spiele, 23 Jahre) entschieden, aber die gesamte Defensive war völlig desorientiert. Danach gab es redliche Versuche,  schnell und direkt nach vorne zu spielen. Dass Gündogan, Choupo M und Diekmeier richtig gute Fußballer sind, mussten auch die beiden Lemuren gesehen haben, die ein Transparent mit „Bader und Oenning raus“ aufgezogen hatten. Bis zum Strafraum sah es schon recht ansehnlich aus. Was fehlt, ist ein Taktgeber, einer der weiß, wann man das Spiel auseinanderzieht, wann man langsam spielt, wann man kontert. Weder Mintal noch Pinola, die beiden Erfahrenen mit 88 bzw. 83 Bundesligaspielen können diese Rolle ausfüllen.

Immer wenn der Nürnberger Kombinationsfluß Geschwindigkeit aufnahm, wälzte sich alsbald ein Bochumer Spieler mehr oder weniger gekonnt auf dem Boden und hielt sich den Kopf. Diese furchtbar gestelzte Pose weckte den Verdacht, dass ein großer Teil der VfL-Mannschaft einen Method Acting Abendkursus an der heimischen Volkshochschule besucht („Stell dir vor, du bist ein Migräneanfall.“). Natürlich spielt ein Abstiegskandidat, der auswärts 1-0 führt auf Zeit, aber in dieser Penetranz kennt man das eigentlich nur von italienischen Mannschaften. Was nicht heißt, dass der Bochumer Sieg unverdient war. Sie hatten die besseren Chancen und zogen sich nie völlig zurück. Aber dass sich Nürnberg durch diese Mätzchen irritieren ließ, obwohl die spielerischen Möglichkeiten vorhanden waren, ist eine von vielen Konsequenzen aus der Unerfahrenheit. Nicht nur am Freitag habe ich mich über die schnellen Verkäufe von Banovic, Polak und Engelhardt gewundert. Diese Generation – Polak und Engelhardt sind 28, Banovic 29 – fehlt dem Club im Moment. Gerade Engelhardt war einer, der sich immer reinhaute, auch wenn gar nichts lief oder wenn er einen schlechten Tag hatte. Für einen defensiven Mittelfeldspieler war er außerdem sehr torgefährlich. Was Banovic drauf hat, bekam neulich Hertha zu spüren. Im Moment ist der Club alles – talentiert, überfordert, technisch stark, jung, sympathisch, einfallslos – aber nicht torgefährlich.

Die ersten sieben Gegner hießen Schalke, Bayern, Stuttgart, Frankfurt, Gladbach, Hannover und Bochum. Gegen alle hat der Club mitgehalten, er hat sich weder an die Wand spielen lassen noch hat er versucht, sich durchzumauern. Im Moment ist er punktgleich mit den Millionarios von Schwarz-Gelb. Wenn er seine beiden Auswärtspunkte nicht geholt und dafür gegen Bochum oder Hannover gewonnen hätte, hätte er einen Punkt mehr und wäre Vierzehnter statt Sechzehnter.  Soll das der Unterschied ums Ganze sein nach einem Fünftel der Saison? Wären sieben oder mehr Punkte realistisch gewesen bei diesem Startprogramm? Natürlich ist die dritte Niederlage im vierten Heimspiel kein Leckerli für die Fans, aber wer sichere Siege sehen will, der ist bei diesem Verein völlig falsch. Am Freitag lag es jedenfalls nicht am Einsatz, sondern an der Kaltschnäuzigkeit.  Also warten wir ab, trinken Tee und hoffen dass, Mnari, Gygax und Charisteas bald in Form kommen.

2 Gedanken zu „„Stell dir vor, du bist ein Migräneanfall.“#8220;

Kommentare sind geschlossen.