Licht in der Lagune

Still und verschneit liegt er da, der Tiergarten am Schmausenbuck im hinterletzten Winkel Nürnbergs. Ein Zipfel Reichswald trennt den Zoo, der im Mai 1939 seiner Bestimmung übergeben wurden, vom ehemaligen Reichsparteitagsgelände. An Frühlingssamstagen kann man die Fans des 1. FC Nürnberg vom Stadion herüberbrüllen hören, manchmal vor Freude, oft vor Schmerz. Aber jetzt ist Winterpause, „die stade Zeit“ heißt das in Bayern, „zwischen den Jahren“ auf Hochdeutsch. Und im Tierpark ist nur das Knirschen der einsamen Besucher auf Neuschnee und das Malmen der Schottischen Hochlandrinder zu hören. „Gell, dä Zottel, vor sexädreißg Joar hams schomal so an khabt“, sagt eine Besucherin, die wahrscheinlich auch schon als kleines Mädchen bei der Einweihung dabei war. Sie nickt dem Rindvieh sachkundig-vertrauensvoll zu, das sich Heu aus der Raufe holt und einen Schluck Highland Park genehmigt. Genau das Richtige bei dieser Kälte.

Vom Zebra kann man an diesem Tag nur die schwarzen Streifen sehen. Immer noch müssen Jahr für Jahr tausende der edlen Tiere sterben, damit sichere Fußgängerüberwege angelegt werden können. Ganz Afrika wurde in den vergangenen Jahrhunderten leergeräumt. Die Nachzuchtprogramme sind da nur Kosmetik.

Insgesamt reagieren die Tiere sehr positiv auf ihre winterlichen Besucher. Sie spüren, unter welch seelischer Anspannung sich viele von ihnen befinden. Liebeskummer, die falschen Geschenke und Verdauungsprobleme führen die meisten hierher. Entsprechend einfühlsam benehmen sich die Tiere. Die Pinguine scheißen pausenlos in ihr Badewasser, die im Eis festgefrorenen Wasservögel singen klagende Weisen, der Kondor spreizt einladend die Flügel. Flora und Fauna laden die geplagte Großstadtseele ein, innezuhalten im Lärm der Zeit.

Die Tiere der kalten Lebenszonen kommen jetzt besonders gut zur Geltung, die Schneeleoparden, Geschenke des Krakauer Zoos, die Wölfe, Bisons und Wisente, die stoisch ruhen wie vor 20.000 Jahren, bevor der weiße Mann kam und sie einsperrte.

Verwaist liegt da das Affenhaus. Wo früher Gorillas sich fröhlich in Autoreifen verbissen und mit Exkrementen bewarfen, ist heute alles ganz still. Ein Pfleger klärt auf: „Die Affen sind alle in der Brienner Straße in München im Vorstand der Bayerischen Landesbank.“ Eine kontroverse Maßnahme, die sofort Tierschützer auf den Plan rief: Die schlechte Luft im Konferenzsaal, die langen Sitzungen, die stark gesalzenen Nüsschen, all das widerspräche einer artgerechten Haltung. Aber zuverlässiges Personal sei schwer zu bekommen, heißt es aus der Landeshauptstadt, und die Gorillas Fritz, Hakuna Matata und Bianka seien mit großem Ernst bei der Sache. Schließlich geht es um Steuergelder, also letztlich auch um die Ausstattung des Tiergartens. So eine Aufgabe darf man nicht in die falschen Hände geben. So ist im Affenhaus derzeit nur heimisches Holz zu sehen, dessen mächtige Balken durch ein paar heimische Tropenfische aufgelockert werden.

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