Das antiquierte Sport-Studio

Am Samstag seit Menschengedenken mal wieder das Sport-Studio im ZDF gesehen. Ich kam zu spät zur Konferenz auf Sky, weil ich gerade an meinem neuen Krimi arbeite, der wieder bei Rotbuch erscheint, und konnte gerade noch sehen, wie Eigler sein 3-0 bejubelte. Nach sechzehn Minuten 3-0. Trotzdem hatte ich auch für die Sportschau keine Zeit. Also um elf dann rein ins ZDF, rein in eine bittere Enttäuschung.

Erst gab es ein hochnotpeinliches Interview mit Heynckes, in dem man auf Bunte-Niveau alle Ballack-Gemütszustände durchhechelte. Als Heynckes nach der vierten oder fünften überflüssigen Frage einzuwenden wagte, seine Mannschaft habe gegen Wolfsburg soeben überragend gespielt, wischte der Interviewer dies mit „Dazu habe ich Ihnen doch gratuliert.“ vom Tisch. Die Gratulation als Disclaimer und danach kann hemmungslos am Thema vorbei gefragt werden? Ein Glückwunsch ist doch kein journalistisches Arbeiten. Als ob es zu dem Spiel und zu Bayer nicht einiges zu fragen gegeben hätte. Der Vergleich zur Vorsaison, als man nach 25 Spielen ohne Niederlage doch noch in die Europa League abstürzte. Mittlerweile hat man schon viermal verloren, Hyypiä spielt keine Übersaison, Kießling wird nicht Torschützenkönig werden und trotzdem wirkt man gefestigter.

Dann gäbe es da noch die Form von René Adler, der mit einem Notenschnitt von 2,94 im kicker den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird und sich zusammen mit Wiese bald hinter Rensing wieder finden wird, wenn der weiter so toll hält. Oder die starke Leistung von Lars Bender, die für sich allein bemerkenswert ist, und nicht, weil Ballack wegen ihm nicht dabei war. Oder die Verletzung von Friedrich, der fulminante Renato Augusto, der neue Vertrag von Heynckes, die Option Bayern in diesem Zusammenhang, seine persönliche Bilanz gegen Villareal nach mehr als zehn Jahren in Spanien und, und, und. Natürlich schmeckt es Ballack nicht, dabei zu sein, wäre ja noch schöner, wenn sich so ein Kaliber in die Ecke trollt. Aber wenn er wirklich in die Nationalelf zurück will, kann es ihm nicht schaden, topfit und ausgeruht in die neue Saison zu gehen. Die Plätze werden 2012 vergeben, nicht jetzt. Außerdem spielt er ja regelmäßig und meistens sehr ordentlich.

Beim Zwiegespräch mit Emanuel Pogatetz wirkte Wolf-Dieter Poschmann anschließend so gehetzt, als habe er zuhause den Wasserhahn angelassen. Zwei der drei Einspieler zu Pogatetz befassten sich mit den Bayern, über die bemerkenswerte Situation von Hannover gab es kaum etwas zu hören. Wenigstens war der Spruch von Andi Herzog über den verfressenen Kollegen Pogatetz lustig.

Als dann der Club gezeigt worden war, machte ich den Fernseher aus. Wo war die Hintersinnigkeit, die Verweigerung gegenüber der Sensationshechelei, die konzentrierte Gesprächssituation, in der man immer wieder die Gäste dazu bringt, mehr zu sagen als die vorgestanzten Phrasen für Pressekonferenz und nach dem Spiel? Schade, das war früher einmal eine Bastion des intelligenten Sportjournalismus. Hoffentlich hatte ich nur einen schlechten Abend erwischt.

6 Gedanken zu „Das antiquierte Sport-Studio#8220;

  1. Wann bitte, war das Sportstudio eine „Bastion des intelligenten Sportjournalismus“?
    Poschmann ist per se hochnotpeilich und in Sachen Fußball schreiend inkompetent. Und kann eine Sendung, in der ein Psychpath wie Töpperwien über jahrzehnte geduldet wird, überhaupt irgendwas mit Journalismus zu tun haben?

    Ich empfehle folgende Lektüre dazu, da gibt es passende Antworten:
    http://www.amazon.de/Hofberichterstattung-System-Sport-expertengest%C3%BCtzter-Qualit%C3%A4tsproblems/dp/3639256425

    • In den Siebzigern und Achtzigern. Harry Valerien und Hanns-Joachim Friedrichs waren andere Kaliber, Letzterer hat auch mal die Tagesthemen moderiert. Man stelle sich Poschmann in dieser Rolle vor.

  2. Ich mag mir so schlimme Dinge nicht vorstellen. Die Realität ist schon grausig genug. Darum kann ich dein Erlebnis auch nicht bewerten, die Hochachtung vor Valerien, und Friedrichs teile ich, möchte aber auch noch Werner Schneyder mit auf den Schild heben.

    Solltest du selbst überprüfen wollen, wie toll im ASS Interviews gestaltet werden können, habe ich allerdings eine TOP-Empfehlung:
    Katrin Müller-Hohenstein und Felix Magath, angereichert mit Qualitätsbeiträgen vom Schriftführer des Schalker Supporters Club e.V. -> http://is.gd/KMwBMc

  3. Ging mir ganz genau so. Schlimmer noch ist K. Müller-Hohenstein. Die Dame erreicht nicht mal Bunte-Niveau, ist wohl bestenfalls eine Art Journalisten-Darstellerin. Was für eine Verschwendung von Ressourcen, Gelegenheiten und Lebenszeiten der Zuschauer… Jeder Schülerzeitungs-Redakteur würde sich besser vorbereiten als die Damen und Herren vom ÖRR, die gleichwohl fürstliche Honorare einstreichen. Vielleicht glänzen die Herrschaften ja dann lieber auf privatfinanzierten Sportbällen, Firmenevents, Produktmessen etc. Traurig.

    • Dieter Kürten war auch gut. Ich finde, die Leute hatten auch Interesse am Publikum, also nicht an der Quote, sondern daran, die Zuschauer intelligent zu unterhalten.

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