Höllisch gute Gaudi

Nach Hadubrands Tod bleibt das Spiel in den ursprünglichen Regeln erhalten, wird aber nur von wenigen Eingeweihten gespielt. Penzing blinzelt durch seine Brille: „Mönche waren die Nerds des Mittelalters. Schlau, belesen und niemand hat sie verstanden. Stellen Sie sich ein frühes Computerspiel vor, für das man Programmierkenntnisse braucht. So in etwa war das frühe MaeDN, und die Bibel war der Quellcode.“

Grundlegendes ändert sich erst im Jahr 1234, als Notker, Abt von Bursa, den Würfel einführt. Obwohl der Würfel allgemein als des Teufels gilt (diaboli sit), kann Notker die Kirchenoberen überzeugen. Trinitatis duplex divina, schreibt der große Scholastiker an den Papst und sagt damit in aller Kürze, dass ein sechsseitiger Würfel die Dreifaltigkeit zweimal enthalte.

1234 heißt in den Chroniken meist „Das Jahr, in dem Suger drei im Häuschen hatte“, ein Indiz dafür, wie langwierig das Spiel bis dahin gewesen sein muss. Die Partien dauern Jahre und werden eigentlich nie zu Ende gespielt, weil immer einer der Mönche stirbt oder auf Pilgerfahrt geht. Mit der Dynamik des Würfels gibt es kein Halten mehr. Trotz des Kirchenschismas, der Wiedertäufer und anderer Verwicklungen halten sich die einheitlichen Spielregeln. „Das Konzil von Konstanz“, führt Penzing aus „war eine Games Convention. Da trafen sich die Freaks und haben Nacht um Nacht gezockt. Jan Hus wurde verbrannt, weil er ,Kippe gilt nicht!‘ einführen wollte. Er war seiner Zeit voraus.“

In der blutigen Epoche, die darauf folgt, geht es auch auf dem Spielbrett wild zu. Im 16. Jahrhundert wird es möglich, mit einer Sechs nicht nur einen Stein ins Spiel zu bringen, sondern Steine im gegnerischen Häuschen zu schmeißen, als symbolische Plünderung eine unfassbare Abstraktionsleistung für die damalige Zeit. Nach dem Westfälischen Frieden kommt das Plündern wieder aus der Mode. Als sich Europa nach der Französischen Revolution säkularisiert, wird aus dem christlichen „Mönch“ das universale „Mensch“.

Penzings Team arbeitet in diesen Tagen unter Hochdruck. Mitte Mai wird die Ausstellung unter Anwesenheit von Christian Wulff und Nicolas Sarkozy eröffnet. Eine Briefmarke mit Hadubrand gibt die Deutsche Post im August heraus. Der Mönch, der sich nicht ärgerte, hat sich in einem der Männchen verewigt: Hager, mit breiten Schultern, lächelnd. Ein großer Europäer, ein einfacher Mensch, ein Vorbild in schwerer Zeit.

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