Im Oktober habe ich mir die große Ausstellung zu Hokusai im Martin-Gropius-Bau angesehen. Drei Aspekte haben mich besonders beeindruckt. Sein ständiger Wechsel von Pseudonymen/Künstlernamen, die Tierbilder und seine Übungsbücher. Hokusai lebte von 1760 bis 1849 und hat mehrfach seinen Namen geändert, macnhmal übernahm er auch den Namen seines Lehrers. Mit 60 nannte er sich Iitsu. Weil der Tierkreis nach 60 Jahren einen vollen Zirkel durchlaufen hat, bedeutet Iitsu so viel wie der Einjährige. Mit 60 neu geboren, das erinnert an I’m younger than that now.
Die Ausstellungsmacher haben auf Hokusais Shunga, die erotisch-pornographischen Bilder, vollständig verzichtet. Vielleicht war das eine gute Idee, um nicht zu sehr von der Kunst abzulenken. Vielleicht gibt es im MGB ungeschriebene Regeln, was eine familienkompatible Ausstellung alles nicht zeigen darf. Jedenfalls, die Tierdarstellungen waren faszinierend. Zwei kämpfende Regenpfeifer über einem Bach, und die Wasserwirbel unten und das geplusterte Gefieder der Kontrahenten oben folgt der gleichen Linienführungen, dem gleichen geometrischen Grundmuster. Das ganze auf einer schmalen Tapetenbahn, nicht im abendländisch-üblichen Bilderrahmen.
In den Schulungs- und Skizzenbüchern, von denen sich der Name Manga ableitet und die starke Ähnlichkeit mit Robert Crumbs Sketchbooks haben, gibt es eine Seite, auf der Hokusai zeigt, wie er aus Kreis und Dreieck einen Ochsen zeichnet. Eine Rückenansicht des auf dem Boden ruhenden Tieres. Mehr als 15 dieser Skizzenbücher hat er veröffentlicht. Sie erinnern mich an die Schnibbelbücher, die wir beim Layouten unserer Schülerzeitung verwendeten. Cut and Paste hieß damals noch mit der Schere ausschneiden und mit Pritt-Stift auf die Druckvorlage kleben, die von DIN A 4 auf DIN A 5 herunter verkleinert wurde. In den Schnibbelbüchern gab es Icons, Karikaturen und Mantschkerln für jedes Thema, und bestimmt haben wir damit ständig Urheberrechtsverstöße begangen. Auch bei Hokusai finden wir Motive für alle Lebenslagen. In einem Buch sind Theatermasken und Götter zu finden. In einem anderen sind sämtliche Berufe jener Epoche zusammengefaßt. Es gibt einen Weber mit dem Webstuhl, einen Teeträger. einen Fassmacher. Letzterer ist in die Serie 36 Ansichten des Fuji eingegangen.Eine illustrierte Sozialgeschichte Japans. Dieses Offenkundigmachen des hundertfachen Übens hat mir gefallen. Weil das eine, fertige Werk schnell den falschen Eindruck erweckt, es sei einfach so gelungen. Hier kann man einen Blick in die Werkstatt werfen und sehen, wie oft der Meister angesetzt hat, wie er das, was er am besten konnte, immer wieder trainiert hat, bis er fast neunzig war.
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Kleine Biester ist im Moment Gegenstand der Diskussion in der Leserunde der Krimi-Couch. Einige Mitglieder des von LeserInnen für LeserInnen betriebenen Krimi-Portals knöpfen sich meinen Roman vor und diskutieren öffentlich. Gelegentlich melde ich mich auch zu Wort. Das wird bis zum 12. Dezember weitergehen. Wer mag, schaut mal vorbei und hinterläßt einen Kommentar.