Nichts als die Wahrheit

Am vergangenen Samstag hatte Die Wahrheit, die Satireseite der taz, zur Gala anläßlich ihres zwanzigjährigen Bestehens geladen. Bei derartigen Veranstaltungen kann man immer ein paar Kollegen wiedertreffen wie Ralf Sotscheck, der sich regelmäßig in Berlin sehen läßt, oder Bernd Gieseking, mit dem ich im Pantheon in Bonn einmal gelesen habe. Von Michael Sailer, Autor der Serie Schwabinger Krawall und der Carla-Bruni- und Medienfrontexpertin Silke Burmester kannte ich bisher nur ihre Texte, jetzt konnten wir einmal ein paar Takte reden.

Jenny Zylka und Michael Ringel, der zusammen mit Corinna Stegemann die Wahrheit-Redaktion bildet, moderierten den Abend, der natürlich ein Heimspiel vor vierhundert Wahrheitsfanatikern war. Aber warum sollte es im Heimthafen Neukölln kein Heimspiel sein? Das ist sicherlich angenehmer, als beim Bundesverband Deutscher Heimwerker zu feiern.

Mein erster Text war 1996 das Gedicht „Erstes Ahnen“, und das Geheimnis, warum sich die Wahrheit in zwei Jahrzehnten Wider den Stachel löcken nicht verschlissen hat, liegt zum Teil wohl in der Fähigkeit, in den entscheidenden Momenten vollkommen peinlich zu sein. Technischer Höhepunkt des festlichen Abends war ein Live-Schaltung nach Neuseeland, wo Anke Richter einem aufblasbaren Plastikschaf einen Finger in den Plastikanus schob und dank der hervorragenden Tonqualität vor anmutiger Landschaft (Bucht) erklären konnte, diese Tiere hätten in Neuseeland die gleiche Funktion wie Beate-Uhse-Puppen in Deutschland. Zur Belohnung durften sie sich ansehen, wie die in Berlin anwesenden Wahrheit-AutorInnen einen Haka aufführten. Den Kampftanz der neuseeländischen Rugby-Nationalmannschaft hatte niemand vorher einstudiert und entsprechend unvollkommen geriet die Performance. You can’t do that on stage anymore, behauptete Frank Zappa dereinst. Yes, we can aber doch. Um so schlecht zu sein, musst du gut sein.

Obwohl die Besserwisserei die Kolumnistenkrankheit Nummer eins ist, sind die meisten Texte nach wie vor frei von Welterklärungsgedröhn und feuilletonistischen Schwurbeligkeiten. Die Autoren und Autorinnen der Wahrheit und Zeichner TOM sind reine Toren, die sich stets aufs Neue über schreckliche Politiker, schreckliches Deutsch oder schreckliche Alltäglichkeiten entsetzen können. Zu den wichtigsten Aufgaben, die die Wahrheit im Geistesleben dieses Landes übernommen hat, gehört die über eine Woche sich hinziehende Schmähung des Gastlandes der Frankfurter Buchmesse. Wenn pünktlich ab Mitte September Länder zu den Gralshütern des Weltkulturerbes hochgejubelt werden, von denen man im August noch nicht wusste, dass es dort Verlage gibt, ist die Wahrheit unerbittlich und unversöhnlich zur Stelle und macht nieder, was es nieder zu machen gilt. Weil der Sinn der Organisation seit zwanzig Jahren ihr Scheitern ist, kann es eigentlich so weitergehen. Delectare et prodesse, und ab und zu eins in die Fresse.

Dutt weiter, Klopp bedröppelt, Heynckes überqualifiziert

Jetzt muss Johannes B. Kerner lauter neue Namen lernen. Denn Leverkusen begleitet den Abonnementsachtelfinalteilnehmer Bayern München in die K.O-Runde der Champions League. Ob die breite Front der Dutt-und-Ballack-Verächter dadurch bröckeln wird? Ein magisches Händchen des vorab herzhaft geschmähten Trainers beim Wechsel Derdyiok für Kadlec, ein Tor eines Verteidigers in der Nachspielzeit. Vielleicht passt es ja doch ganz gut mit Dutt und Bayer. Vielleicht sind diese gedrehten Spiele, der Kampfgeist, die fehlende Schönspielerei, der Leithammel mit der Nasenmaske und dem losen Mundwerk genau das, was Bayer braucht, um sich nach allen Regeln der Kunst zusammenzuraufen. Nicht elf Freunde, elf Giftzwerge (Ruuuudi!) müsst ihr sein.

Die Bayern dürften richtig froh sein, dass sie Platz eins in der Gruppe gesichert haben, warten doch auf den zweiten Plätzen im Moment so dankbare Gegner wie Manchester United oder AC Mailand und nicht die dicken erstplatzierten Brocken wie APOEL Nikosia oder Benfica Lissabon.

Das letzte Wort ist auch in Dortmund noch nicht gesprochen. Im entscheidenden Spiel gegen Marseille ist den tapferen und arg gerupften Duracellhäschen jederzeit ein 4-0 zuzutrauen. Sie haben nichts mehr zu verlieren, was ihren Tatendrang lähmen könnte. Bleibt nur die Frage, ob die fanatischen Piräer (Piräi) ihre letzte Chance, die sie ebenfalls noch haben, gegen Arsenal herschenken. Und ob die Engländer überhaupt mit ihrer ersten Garnitur antreten.

=====

Eine Besprechung meines neuen Kriminalromans „Kleine Biester“ ist auf Deutschlandradio Kultur zu hören und zu lesen.

Am Freitag, 25.11. lese ich aus dem Buch in der Buchhandlung Bötzowbuch, Bötzowstr. 27, 10407 Berlin. Eintritt 3 €.
Weitere Termine und einen Blog zu allem außer Fußball gibt es auf www.robalef.de.

Die Totgesagten schlagen zurück

Der HSV 2-0, Wolfsburg 4-1, Leverkusen 2-0. Drei Mannschaften, von denen viel zu selten Gutes zu sehen war im ersten Drittel der Saison, haben sich am Wochenende eindrucksvoll zurückgemeldet. Und Guerrero, Benaglio und Ballack geben den Siegern ein Gesicht. Alle drei galten vor der Saion als Problemfälle beziehungsweise Wackelkandidaten, alle drei haben ihre Bestform wieder gefunden. Das wird ein großes Gedrängel geben. Jede dieser Mannschaten hat das Zeug zu einem Durchmarsch in der Rückrunde, wie Stuttgart ihn schon ein paar Mal geschafft hat. Sogar der HSV ist nur acht Punkte von einem Platz im europäischen Wettbewerb entfernt.

Es fragt sich, wer eigentlich gegen den Abstieg spielt, außer Nürnberg natürlich. Nürnberg hat sich mit dem 0-4 auf Schalke eindrucksvoll in seiner Königsdiziplin zurückgemeldet und gleich einmal den heiß begehrten Relegationsplatz gesichert. Ob da schon auf die Frankenderbys zwei und drei gegen Fürth neben dem Pokalspiel im Dezember spekuliert wird? Ansonsten werden sich ganz am Ende Kaiserslautern, Augsburg, Mainz, Freiburg und noch ein oder zwei Mannschaften tummeln, mit denen jetzt noch keiner rechnet. Vielleicht geht Hertha doch irgendwann die Luft aus. Leider kann Eintracht Frankfurt nicht jedes Jahr aus der Bundesliga absteigen. Nürnberg hat mit dem Restprogramm Kaiserslautern, HSV, Hoffenheim, Leverkusen noch drei direkte Konkurrenten vor der Winterpause, noch steht der HSV nicht auf Platz sechs. Wenn es an Weihnachten 18 Punkte wären, könnte sich keiner beklagen. Die Hinrunde erfüllt bisher meine Erwartungen. Dafür, dass er vier wichtige Spieler verloren hat und zahlreiche Verletzungen zu beklagen hatte, schlägt sich der Club erstaunlich gut. Auch beim 4-0 auf Schalke fiel die Mannschaft nicht auseinander, sondern war lediglich zu brav. Der kicker hat bei den Transfers Tomas Pekhart übrigens als Mitläufer eingestuft. Das ist mir völlig unverständlich, sagt die Redaktion doch ausdrücklich, es komme auf den relativen Wert eines Spielers für einen Verein an. Für den Club ist Pekhart ein Volltreffer.

Die Bayern schrauben ihre Bilanz gegen Mannschaften auf Platz 2 bis 9 auf 3 Niederlagen 2 Unentschieden und 2 Siege. Wie Mainz in der vergangenen Saison war die Gastmannschaft aus Lüdenscheid taktisch überlegen. Eigengewächs Hummels war bester Spieler bei gelb-schwarz, Königstransfer Boateng machte den entscheidenden Fehler. Bremen und Stuttgart kommen noch. Beiden traue ich wenigstens ein Unentschieden zu. Wenigstens hat die zweitbeste Mannschaft Europas im unteren Tabellendrittel mal so richtig gezeigt, wo der Hammer hängt. Dieser Flirt mit Reus kann eigentlich nur heißen, dass Robbens Zeit in München bereits angefangen hat, zu Ende zu gehen. Oder wird sich der Timo ein Jahr lang auf der Bank wiederfinden, was er dann den Rest seiner jäh unterbrochenen Laufbahn als „unglaublich wichtige Erfahrung“ verkaufen kann?