Vielleicht ist es besser so

Vielleicht ist es ja besser so. Was wäre gewesen, wenn Deutschland gegen Holland hätte spielen müssen? Van Bommel gegen Schweinsteiger, Lahm gegen Robben, Mathijsen gegen Trochowski, Elija gegen Aogo? Die beinahe beste Mannschaft Europas und die beinahe fünftbeste Mannschaft Deutschlands gingen hoffnungslos zerstritten in die Saisonvorbereitung. Damit wäre der vierte Platz für die CL endgültig ein Ding der Unmöglichkeit, und van Gaal könnte niemals Bundestrainer werden.

Der Uru als solcher wohnt sehr weit weg und spielt in der Bundesliga nicht die tragende Rolle. Eine Niederlage heute würde das Land, das so groß ist wie Österreich und Ungarn zusammen, aber viel besser Fußball spielt, sicherlich enttäuschen, aber sie gehen mit Sicherheit motivierter ins Spiel als die Schlandis, die heute ihren ganzen internationalen Zuspruch mit einer halbherzigen Leistung wieder vergeigen können.

Oliver Kahn sagt im kicker, man sollte das Spiel um Platz Drei abschaffen. Ich finde, es ist eine große, charmante Geste, die Verlierer noch einmal zu würdigen. Und für Mannschaften wie Kroatien, Südkorea, die Türkei und heute Uruguay ist das Spiel um Platz Drei trotz des Scheiterns im Halbfinale etwas ganz Besonderes. Und der Große Klose kann heute auch noch etwas zustande bringen.

Es war nicht alles schlecht, damals in Soccer City

Aber Mertesacker stand völlig neben sich, neben dem Gegenspieler, neben dem Ball, neben allem eigentlich. Erspielte, als sei er verletzt. Beim 4-4 von Bremen gegen Valencia in Europa League vor ein paar Monaten bekam er die Note 5 und David Villa schoß drei Tore. Das verheißt nichts Gutes, Villa ist ganz in der Nähe.

Podolski bewegte sich zwischen der 20. und 70. Minute an der linken Seite, als sei er beim Pilzesuchen, den Kopf nach unten und auf keinen Fall übertrieben schnell. Ich hielt schon Ausschau nach einem Geißbock am Spielfeldrand, so sehr erinnerte das phasenweise an sein Gekicke bei Köln.

Schweinsteiger war gut und wächst insofern auch in die Ballackrolle hinein, als die Fußballnation jetzt bis Sonntag Hausaltäre für seinen unteren Gesäßmuskel einrichten muss. Lahm war gut, Friedrich wird immer besser. Es tut ihm offenbar gut, das Kapitel Hertha demnächst abschließen zu können. Badstuber blieb gleich draußen, auch bei Müller ist die Luft ein bißchen raus. Jerome Boateng spielte solide, ließ nur einmal böse vernaschen. Özil behielt trotz der vergebenen Großchance die Nerven, Cacau spielte fleißig und ideenreich, sitzt aber gegen England wieder draußen. Khedira machte den Schattenmann für den Prince, den er aber trotzdem nie ganz ausschalten konnte. Neuer mit Licht (Eins-gegen-Eins) und Schatten (Flanken), aber da, wenn es drauf ankam.

Apropos Prince, es war ein sehr faires Spiel mit einem sachlichen und klar agierenden Schiedsrichter, mal wieder viel Lärm um nichts. Und jetzt gegen England. Mein Nachbar zu Linken meinte gestern spontan: Also Elfmeterschießen. Jedenfalls sollte man sich von den bisherigen Leistungen der Engländer nicht blenden lassen, gegen Deutschland machen sie immer ihre besten Spiele. Eigentlich halte ich einen einzigen Stürmer für eine seelische Grausamkeit, aber mit der offensiven Dreierreihe sollte man am Grundgefüge nicht viel ändern. Als Alternative zu Mertesacker gäbe es Boateng oder Aogo.

Nicht minder erfreulich als das deutsche Weiterkommen ist die Tatsache, dass Ghana auch im Achtelfinale steht und gegen die USA jedenfalls bessere Chancen hat als vor vier Jahren gegen Brasilien. Irgendwann müssen sie mal einen Treffer aus dem Spiel heraus erzielen, im Elfmeterschießen darf Gyan nur einmal.

Stille Momente perfekten Glücks

„Oh wie ist das schön, oh wie ist das schön..“ wäre deplatziert, liegt ein historisches 1-5 doch gerade erst einmal vier Tage zurück. Aber Barcas Auftritt war schon das Sahnestückchen der bisherigen Saison. Wäre da nicht der legendäre Bayerndusel, die Partie wäre wohl 8-0 ausgegangen. Und die tragischen Fälle Lell und Rensing zeigen, wie sehr alles falsch läuft bei den Bayern. Unter Hitzfeld war Lell ein hoffnungsvolles, wenn auch mäßig begabtes Eigengewächs. Trainingsfleißig wie Dieter Eilts und bescheiden wie Rudi Völler hätte er vielleicht ein solider Rechtsverteidiger werden können, so gut wie Arne Friedrich, unauffällig und unverzichtbar. Unter Klinsmann wurde durch die Verpflichtung des sympathischen Jahrhunderttalents Maximo-Otto Lells Karriere bei den Bayern auf sehr ruppige Art offiziell für beendet erklärt. Wer dem behäbigen Italiener mit seinen unsäglichen Flanken aus dem Halbfeld weichen muss, sollte lieber Tischtennis spielen oder Sportsocken verkaufen.  Lell heute ins Offensivspiel von Messi laufen zu lassen, hatte etwas von Menschenopfer. Ja, Lahm war verletzt und Lucio auch und van Buyten erhielt aus guten Gründen Dispens. Aber wo war eigentlich der für links unlängst erst verpflichtete Marcell Jansen? Auch keine Granate im Defensivbereich, aber wenigstens läuferisch hätte er Messi nahe kommen können. Und beinahe jeder, der in der Bundesliga hinten links spielt, hat taktisch mehr drauf als Lell in dieser Position. Hätte man da nicht wie die Gladbacher in der Winterpause noch jemand holen müssen? Wahrscheinlich schafft Klinsmann es nicht, sechs gleichwertige Ersatzspieler ins Team zu integrieren und bei Laune zu halten. Deshalb tauchte im Camp Nou der Name Badstuber im Bayernkader auf.

Nehmen wir an, die Bayern hätten mit dem neuen Trainer und dem neuen Konzept diese Saison als Jahr des Übergangs ausgerufen. Dann hätte der junge Rensing bei seinem Weg in die größten Fußstapfen, die die Liga 2008 zu bieten hatte, in Ruhe aufgebaut werden können, so wie Adler in Leverkusen. Aber Rensing erst wie Hoeneß zum einzig ernsthaften Anwärter auf die Nachfolge von Lehmann auszurufen, ihn wie Klinsmann immer mit der Formel „Er wird die Zeit bekommen, die er braucht“ in Sicherheit zu wiegen, und ihn dann kurz vor dem Spiel des Jahres kaltschnäuzig abzuservieren, das ist planlose  seelische Grausamkeit. Es ist dieses ewige Hüh und Hott, dieses Weltklasse sein wollen und über Nacht Nachwuchs aus dem Hut zaubern müssen, das nicht funktionieren kann. Guerrero weg. Kroos weg. Schlaudraff  weg. Podolski in tiefster Melancholie. Schweinsteiger in der Stagnation. Und der schon erwähnte Janssen blüht unter Jol in der Rückrunde auf, wird jeden Tag ein bißchen besser. So wie Aogo, Pitroipa, Guerrero. Vermutlich kommt im neuen Jahr Enke. Und Rensing wird der Kompagnon von Lell. Nachwuchsarbeit 2010.

Die Bayern haben es geschafft, in den letzten Jahren zwei der drei besten deutschen Trainer (Schaaf wäre ebenso wenig kompatibel wie Frings) zu vergraulen. Hitzfeld ist gegangen, weil ihm Kim Il McRummenigge vorgerechnet hat, dass Fußball keine Mathematik ist. Magath ist gegangen, weil er die geballte Fußballkompetenz an der Säbener Straße nur mit geballter Faust in der Tasche ertragen konnte, und weil er ein wenig von dem vielen schönen Festgeld gerne in neue Spieler investiert hätte.

Wenn es jetzt ausgerechnet dem seriösen, geduldigen Funkel und dem Chancengleichheitsverfechter Bruchhagen und der verletzungsgeplagten Eintracht gelänge, den Bayern auch noch den Zahn in der Meisterschaft zu ziehen, könnte man von einer perfekten Woche sprechen. Aber in der Allianz-Arena sind die Bayern ja eine nicht nur von den eigenen Fans gefürchtete Heimmannschaft.