Debütantenball

Noch eine Merkwürdgkeit aus dieser bemerkenswerten Saison. In der Manschaft des letzten Spieltages im kicker waren acht Spieler zu finden, die es erstmals dorthin geschafft haben. Sie alle stehen für die wechselvolle Entwicklung ihrer Vereine, die jetzt erst im Schlußsport ihre Leistung oder wenigstens die Ergebnisse abrufen können. Skela ist der heimliche Regisseur in Cottbus, der Kopf, den die Mannschaft so lange gesucht hat. Sahin (offensiv) und Owomoyela (defensiv) zeigen, dass Klopp nach den vielen Unentschieden in der Lage ist, noch ein paar Prozent aus seinen Leuten rauszukitzeln. Schulz und Andreasen stehen für die erstaunliche Heimstärke Hannovers (30 Punkte) und zeigen, dass bei allem Geholper und Gestolper Hecking der richtige Mann für die 96er ist. Magnin, keiner der hoch gehandelten Namen im Stuttgarter Talentschuppen, war der Antreiber gegen Köln und ist der unspektakuläre Teamplayer aus dem Lehrbuch. Langkamp von Karlsruhe weckt die Scheintoten wieder zum Leben und zeigt, dass der KSC vor allem ein Stürmerproblem und kein Einstellungsproblem hat. Neuer kämpft laut einigen Kommentatoren im Moment mit seiner Form, ist aber nach Enke und Eilhoff trotzdem schon Drittbester bei den Torhütern und gehört zur besten Defensive der Liga. Gut möglich, dass wir weitere Novizen sehen.

Die CL-Halbfinals waren wieder einmal Leckerbissen für Taktik- und Technikliebhaber. Chelseas Defensivarbeit war überragend, intelligent antizipierend und im wesentlichen sehr fair. Barca wirkte manchmal wie eine Luxusvariante von Leverkusen: spielerisch überlegen, aber zu wenig zielstrebig.

Arsenal merkt man an, dass die Mannschaft noch sehr jung ist. Viele gute Ideen, aber die Automatismen laufen noch nicht so gut wie bei Barca. Ein Traumpass ist noch keine Ballstaffette ist noch keine Ballzirkulation. Fabregas ist eine Klasse für sich, das war schon bei der EM so. Er platzt vor kreativen Ideen. Noch zwei, drei Jahre und er ist an der Spitze. Er hat einen ganz eigenen Blick auf das Spiel. ManU spielte sehr gefährlich und sehr abgeklärt. Könnte gut sein, dass sie ihren Titel verteidigen.  Ein Endspiel gegen Barca wäre ein echtes Leckerli, aber Hiddink und Ballack als Sieger würd mich auch freuen.

Ein Torwarteproblem

Zu viele der Guten, und keiner dabei, der eindeutig Ansprüche erheben könnte. Seit 35 Jahren eine beinahe organische Erbfolge: Auf Maier folgte Schumacher, auf Schumacher folgte Illgner, auf Illgner kam Köpke, nach Köpke folgte  Kahn, nach Kahn gab es Lehmann. Klingt das irgendwie bekannt? Es gab kleinere Reibereien, Eike Immel und Uli Stein wurden ausgebootet, Köpke hätte rein nach Leistung schon 1992 die Nummer Eins werden müssen, Lehmann statt Kahn war eine (richtige) Entscheidung mit viel Zündstoff . Aber wenn es Streit gab, dann zwischen zwei Torhütern und nicht zwischen sechsen: Enke, Neuer, Wiese, Adler, Hildebrand und Rensing. Also wer ist vorne?

Hildebrand sicher nicht, ich sehe ihn im Moment nicht als Nationaltorhüter, nur weil er besser ist als Haas. Ich denke, es kann Hoffenheim ganz gut tun in der Rückrunde, nicht immer mindestens drei Tore schießen zu müssen, um sicher zu gewinnen. Und Hildebrand ist Meister geworden, das ist eine große psychologische Hilfe für die Neulinge, gerade zum Schluß hin.

International am erfahrensten ist merkwürdigerweise Dauer CL-Vorrundenteilnehmer Wiese, obwohl er so etwas jungenhaftes hat(te). Er ist besser geworden im Herauslaufen, auch im Umgehen kitzliger Fragen nach seinen Ansprüchen. Wenn Bremen es mal – wegen Wiese – bis in ein CL-Halbfinale schaffen würde, wäre er ganz vorne dran. So wird es schwierig.

Enke ist von seiner Persönlichkeit her derjenige, der eine Abwehr am besten dirigieren kann. Er ist in einer ähnlich undankbaren Situation wie Köpke bei Nürnberg. Weltklasseleistungen hinter einer desolaten Abwehr zählen merkwürdigerweise weniger als Topleistungen mit einer guten Viererkette. Hätte er sich nicht verletzt, wäre Enke jetzt der erste Anwärter auf die Nummer Eins. Ihn gegen Norwegen nach nur zwei Pflichtspielen Wettkampfpraxis nicht zu berufen, ist keine Grundsatzentscheidung. Enke bei Bremen wäre ein ganz heißer Kandidat für die Nummer eins bei Herrn Löw, aber die Fischköppe sind ja tatsächlich völlig vernarrt in Wiese.

Rensing hat den schlechtesten Notenschnitt aller Bundesligatorhüter in der Hinrunde, dafür mit Hoeneß, Beckenbauer, Kahn und Klinsmann gleich vier prominente Fürsprecher und die große Bühne Champions League. Würde mich interessieren, wen der eminent kluge Mehmet Scholl präferiert. Sicherlich nicht Rensing, oder? Dafür, dass er im Jahr eins nach Kahn spielt, schlägt Rensing sich beachtlich. Er hat allerdings nicht die Begabung von Neuer und Adler. Wie der große alte Mann der Torwarttrainerzunft Friedrich Rückert dereinst anmerkte: Was man nicht erfliegen kann, muss man sich erhinken. Soll heißen, wenn Rensing so schuftet wie Kahn, und wenn Wiese, Enke, Neuer und Adler patzen, kann er es schaffen. Ein Modell, das viele große Karrieren ermöglicht hat.

Adler ist auf der Linie der Beste, der Einzige, der an Kahn und Köpke rankommt bei den Reflexen. Aber er hat seine Chance nach Enkes Verletzung nicht wirklich genutzt – Rußland hui, England pfui – und ist im Moment immer für einen Klops gut. Außerdem hat er fast keine internationale Erfahrung mit dem Verein. Möglicherweise bliebe das mit Leverkusen auch so, wenn die ihre Rückrundenkrise so richtig ausleben. Dann wiederum wäre Adler ein Kandidat bei Bayern und dann…

Neuer hat seine Krise schon gehabt, und obwohl er mit Fährmann sehr starke Konkurrenz hatte und auf Schalke gerade alles im Dreieck flippt, ist er Notenzweiter hinter Eilhoff, der auch ein Kandidat für Bremen wäre. Neuer ist der Stärkste von allen in der Spieleröffnung, weshalb er sich auf Dauer auch durchsetzen wird, gelegentliche „Flutschfinger“ hin oder her. Er hat in der CL ein, zwei wirklich gute Spiele gemacht, Spiele gewonnen, wie man so sagt. Das gegen Porto bleibt im Gedächtnis. Das Spiel von hinten raus war 2006 das entscheidende sachliche Argument für Lehmann und gegen Kahn, abgesehen von persönlichen Animositäten aller Art. Neuer entwickelt diese Richtung weiter (ist ja auch Lehmann-Fan). Wenn Löw so spielen lassen will wie in der ersten Halbzeit gegen Rußland, ist ein Torwart, der 70-Meter Abschläge/würfe genau in die Gasse spielen kann, erste Wahl.

Das mit Pander hinten links war Galgenhumor, Lahm ist absolut konkurrenzlos. Bayern hin oder her, er ist ein toller Fußballer. Aber Höwedes innen halte ich für eine realistische Option bis 2010. Und ein gesunder Pander dann vielleicht links im offensiven Mittelfeld.