Gegen Italien, das wird ein heimliches Endspiel. Gegen Spanien und Portugal gab es schmerzhafte Niederlagen in der letzten Zeit, aber die Rivalität mit Italien geht bis 1970 zurück. Sieben Weltmeistertitel stinken am Donnerstag gegeneinander an. Ein Kreis schließt sich. 2006 hatte der Hurra-Fußball von Klinsis Rasselbande bereits im Viertelfinale gegen Argentinien seine Grenzen erreicht. Wenn Pekerman offensiv statt defensiv gewechselt hätte, hätte es da schon vorbei sein können. Ohne Riquelme landete Argentinien ins Elfmeterschießen, und wir alle wissen, was da passiert, wenn es nicht gerade gegen die Tschechoslowakei geht.
Gegen Italien war dann zurecht Ende Gelände für Schland. Es gab ein mutiges und herzhaftes Anrennen, irgendwann war der Stier müde und Torero Grosso setzte den entscheidenden Stich. Ähnlich taktisch ratlos ging die Sache 2008 und 2010 gegen Spanien aus. Und keiner war so richtig böse, weil das Zwischenziel: Nie mehr Rumpelfußball, längst erreicht war.
Es ist kein Zufall, dass vier Teams aus den Gruppen B und C im Halbfinale stehen. Das waren die spielstärksten Gruppen, wobei ich B noch für etwas ausgeglichener halte. Diesmal gab es kein Sommermärchen, sondern Lernerfolge zu bewundern. Das deutsche Team ist noch längst nicht am Limit, es ist taktisch reifer geworden. Die Leistungskurve zeigt nach oben. Mit Khedira, Özil, Hummels, Lahm, Neuer und Klose gibt es gleich sechs Spieler, die Weltklasse darstellen, nicht nur Ballack und Lehmann wie 2006. Wer Gomez, Müller und Podolski auf die Bank setzt, wer es sich leisten kann, einen schwerfällig schwächelnden Schweinsteiger* durchzuschleppen, der hat tatsächlich den besten Kader des Turniers. Ich finde, Kroos hätte eine Chance verdient. Er hat eine sehr gute Saison gespielt, kann gut aus der zweiten Reihe schießen und hat eine geringe Fehlpassquote. Oder Löw setzt auf totale Offensive. Die Abwehr wie immer, davor Podolski und Khedira, davor Reus, Özil, Müller, ganz vorne Klose. Podolski kann auch einen Achter spielen, er hat ja als hängender Zehner angefangen. Reus und er können links rochieren, Müller und Özil rechts. Müller hat immense Steherqualitäten, ist zweikampfstark und wird irgendwann im Lauf des Turniers auch wieder Glück haben. Voll auf Offensive hat mehr Erfolgsaussichten, als sich auf ein defensives Abnutzungsgeplänkel einzulassen. Klose kennt sich mit italienischen Abwehrreihen aus. Sechs Offensivkräfte, die geschickt rotieren, müssen die Italiener erst einmal in den Griff kriegen.
Und die Italiener? In dem grandiosen Film When We Were Kings über den Rumble in the Jungle Foreman gegen Ali sagt der Schauspieler Malick Bowens über Alis Strategie vollkommener Passivität in den ersten sechs Runden: „Muhammad Ali, he was like a sleeping elephant. You can do whatever you want around a sleeping elephant; whatever you want. But when he wakes up, he tramples everything.“ Italien hat das auch, diese aufreizende Passivität in großen Turnieren. Eigentlich sind sie sich zu fein für die Vorrunde. Es sei denn, es geht im ersten Spiel gegen Spanien. Dann sind die von Minute eins an voll da und bieten aus dem Stand eines der besten Spiele des Turniers. Gerne gehen sie im Vorfeld mit ihrem verrotteten Calcio ein wenig hausieren. Es erhöht das Überraschungsmoment. Alle denken, Italien sei am Ende. Seit 2500 Jahren denken alle, Italien sei so gut wie am Ende. Tolle Spieler haben sie auch: Buffon und Pirlo, Balotelli in his own sweet fucked-up little way. Und Italiener trampeln natürlich auch nicht. Wenn sie wollen, kommen sie 120 Minuten ohne Foul aus. Ihre Gegner erledigen sie ähnlich formvollendet wie ein venezianischer Kellner seine Gäste aus Texas oder Wanne-Eickel.
Einmal hat eine deutsche Mannschaft Italien aus dem Turnier gekegelt, 1996 in der Vorrunde. Köpke war damals bester Torwart der Welt, hielt einen Elfmeter und vereitelte ungefähr dreißig italienische Großchancen. 0-0 ging es aus, Italien fuhr mit dem italienischsten aller Ergebnisse nach Hause.
Aber gegen Italien in Normalform spielen ist wie mit einem Alligator ringen. Es ist immer brandgefährlich. Und es wird ein großes, ein unvergeßliches Spiel werden. Wie 2006, nur anders.
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