Grandseigneur und Gummiball

Jemand hätte Verbeek ja mal briefen können, was ihn ihn Freiburg erwartet. Dann wäre Gertjan, der Graue nicht aus allen Wolken gefallen, dass der Freiburger Trainer sich benimmt wie ein Hobbit auf Speed, wenn ihm einer das Essen streitig macht. So wirkte Verbeek wie der typische schlechte Verlierer, als er sich über das überkandidelte Coachen von Streich beschwerte. Dabei tut der nichts, der will nur spielen. Am liebsten offensiv. Den Grandseigneur und den Gumiball trennen Welten, leider in der Tabelle jetzt auch wieder drei Punkte.

Verbeek hat es immerhin geschafft, dem Club die Unentschieden abzugewöhnen. Gab es davon in der Hinrunde noch elf, steht in der Rückrunde kein einziges zu Buche. Fünf Siege und sechs Niederlagen haben schon vier Punkte mehr beschert als in der Hinrunde, trotzdem frage ich mich, gegen wen Verbeek die drei Siege holen will, die er nach seiner Rechnung noch braucht. In Mainz ist nicht unbedingt mit Punkten zu rechnen, Schalke wird bis zum Schluß um Platz zwei kämpfen, Wolfsburg tummelt sich mittlerweile in der Nähe der Champions League. Bleiben Hannover, Gladbach und die kriselnden Leverkusener. Wobei drei Siege in drei Heimspielen, das ist auch nicht wirklich realistisch.

Es ist so saumäßig eng da unten, so eng wie 1999 nicht mehr. Es kann wieder eine Frage der Tordifferenz werden. Ich bereue diese Liebe nicht, aber wer bezahlt mir nach Saisonende die Therapie?

 

Urmel Busters auf Kaperfahrt

Augusburg spielt im Moment seinen besten Fußball seit Helmut Haller, Trainer Weinzierl kennt den Inhalt seiner Puppenkiste aus dem Öfföff. Gegen den FCA muss der Club am Sonntag trotzdem punkten. Es hilft nichts, wenn sich Verbeek nicht rasiert, bis Ginczek wieder auf dem Platz steht. Gertjan, der Graue schafft es vielleicht sogar, den ständig schlamperten Mak ein bißchen besser einzustellen. Oder Pekhart kriegt endlich mal ein paar gute Flanken. Oder ein Schuß von Feulner aus der zweiten Reihe reicht, weil die Abwehr absolut fehlerfrei verteidigt.

Auf die chaotischen Zustände beim HSV sollte sich der Club auf keinen Fall verlassen. Wobei, was der HSV im Moment abliefert, stellt manchen Tiefpunkt der Außendarstellung des FCN nebst Schalker Kreisel- und Kölscher Klüngeleien locker in den Schatten. Ein Verein zerfleischt sich in Echtzeit auf offener Bühne. Keine Spur vom Klischee der „kühl rechnenden hanseatischen Kaufleute“, das bei Bremen und beim HSV gerne bemüht wird. Als ob in 500 Jahren Hanse nie einer Pleite gemacht hätte.  Irgendwann wird James Cameron dieses Drama verfilmen. Mit Leonardo di Caprio als Rafael van der Vaart und George Clooney als Bert van Marwijk. Was für ein Stoff, was für ein Drama.

Aber darauf darf sich Nürnberg nicht verlassen. Wenn es am Sonntag 3-0 für die Bärte (Tore: Nilsson, Plattenhardt, Pekhart) hieße, wäre dies ein weiterer wichtiger Schritt aus der unmittelbaren Gefahrenzone.

Willi Entenmann R.I.P.

Heute vor einem Jahr ist Willi Entenmann gestorben. Hans Meyer hat 2007 den Pokal geholt, Heinz Höher 1987 den Aufstieg geschafft, aber auch „Willi!“ erfreut sich in Franken allerhöchster Wertschätzung. Entenmann wurde Clubtrainer in der Saison 1991/92, als die Bundesliga für eine Saison mit dem letzten DDR-Meister Hansa Rostock und Dynamo Dresden aufgestockt wurde. In dieser Runde mit 38 Spielen holte der Club 18 Siege und wurde am Ende Siebter. Zu den spektakulären Erfolgen gehörte ein 2-1 gegen den späteren Vizemeister Dortmund, die ohne ihren Miesepampel Klopp auch damals schon schlechte Verlierer waren. Es gab ein 4-3 gegen den späteren Meister Stuttgart und ein 4-0 gegen Köln mit vier Toren in der ersten Halbzeit gegen den Köpke-Rivalen Ilgner. Der Höhepunktt war das 3-1 in München gegen die Bayern, der erste Auswärtssieg dort seit 29 Jahren und der einzige dort seitdem. Ich hatte das Glück, diese vier Spiele live zu sehen, und auch wenn der Pokalsieg eiue Sternstunde war, diese Saison war ein wunderbarer, langer Glückstrip. Entenmann sagte wenig, wenn dann auf schwäbisch, und ließ mit Dorfner, Zarate, Wück und Eckstein einen sagenhaften Offensivfußball spielen. Wie Verbeek, nur mit Siegen.

Die Saison 1992/93 war mit zehn Siegen und Platz 13 solide. Ancona hatte sich Zarate geholt, der 1. FC Kaiserslautern Martin Wagner, André Golke ging zum VfB Stuttgart. Der 19-jährige Christian Wück stand nach der Traumsaison im zweiten Jahr komplett neben sich. 1993/94 waren Zarate und Golke wieder da, aber Offensivgenie Hans Dorfner wurde im September 1993 zum Sportinvaliden, Dieter Eckstein wurde gegangen. Ende Oktober stand der Club nach 14 Spieltagen mit vier Siegen auf Platz 14. Das nächste Spiel war das Heimspiel gegen die Bayern. Ich arbeitete damals in Jerusalem. Deutschsprachige Tageszeitungen vom Montag erhielt man in einem (1) Laden am Dienstag. Internet gab es nicht. In einem vollgestopften Laden für Hausgeräte auf der Jaffa Road  kaufte ich mir ein kleines silbergraues Radio mit Antenne zum Ausziehen. Am Samstag Abend wurden auf BBC die Ergebnisse der „German Bundesliga“ durchgegeben. Der Empfang im New Imperial Hotel in der Altstadt war mäßig. Ich musste einen Ort finden, der ruhig und nicht mit den Quadern aus Jerusalem Stone umbaut war. Am Samstagabend stand ich auf einer Fußgängerbrücke am Montefiore Hill und nahm Peilung auf, bis die Erkennungsmelodie des BBC World Service zu hören war. Sie klang ein wenig so wie die Melodie von Wallace and Gromit. Endlich hieß es „This is London“ und der Club hatte 2-0 gewonnen. Vier Tage später, am 9. November las ich dann, dass Golke und Criens die Torschützen waren. Hans-Jörg Criens, im zarten Alter von 32 Jahren wegen seiner Torjägerqualitäten nach Nürnberg geholt, hatte den Ball irgendwie reingewurschtelt. In der restlichen Saison traf er noch einmal, gegen den VfB Leipzig. Am Tag als ich den Spielbericht mehrfach inhalierte, wurde Entenmann von Präsident Gerhard Voack entlassen. Voacks Schreckenstat veranlasste den zwei Monate vorher nach Schalke abgeschobenen Dieter Eckstein zu der Bemerkung: „Kleine Männer in hohen Schuhen sind gefährlich.“

Nach schwarzen Kassen, Beinahebankrott, Punktabzug und Absturz in die Dritte Liga gelang mit Entenmann 1997 der direkte Wiederaufstieg in die Zweite Liga. Nach fünf Spieltagen wurde Entenmann von Michael A. Roth entlassen. Er möge in Frieden ruhen. Unsterblich ist er sowieso.