Was wollen wir trinken, sieben Tage lang…

Dieses scheußliche Stück, Erfolgshit der berüchtigten Betroffenheitskapelle bots aus den Siebzigern, ist tatsächlich die Tormelodie in Hoffenheim, wie heute in der Sportschau zu hören war. Vielleicht sind die Stürmer ja alle deswegen verletzt, weil sie mehr Geschmack besitzen als das Gremium, das diese Melodie aussuchen durfte. Hoffenheim hat jedenfalls die Seuche seit der Winterpause, heute ging Jaissle mit Verdacht auf Kreuzbandriss raus. Es zeigt sich, dass der angebliche Kaufrausch gar keiner war, und der Aufsteiger mittlerweile ein gravierendes Personalproblem hat. Manchmal blitzt die große Spielkultur noch auf, aber wer auf dem Zahnfleisch geht, hat Schwierigkeiten zu lächeln.

Ein (weiteres) Personalproblem hätten auch die Bayern, wenn Ribery vorschriftsmäßig vom Platz geflogen wäre. Sie hätten gegen die glücklosen Karlsruher auch so gewonnen, aber wenn Diego nach Kinnhaken vom Platz muss, dann doch bitte auch der Hl. Franck. Ist das wirklich nur der Bayern-Dusel? Wer den neuen Spot von Premiere gesehen hat, der braucht sich nicht zu wundern. Da sitzen der Luca, der Franz und der Marcel gemeinsam an der Theke und der Marcel bestellt drei Bier. Der Toptorjäger aus Italien mache eine spassige Witze, der Kolumnist der größten deutschen Zeitung und Präsident hebt das Glas, und sein erster Öffentlichkeitsarbeiter von der Pressetribüne ist froh, dass er Prost sagen darf. Hatte man nicht kürzlich noch die Sorge, dass unter Kirch der kritische Blick auf die Bundesliga verloren gehen könnte? Zum Glück ist das bei Premiere ganz anders.  Früher hat mal ein gewisser Hajo Friedrichs das Aktuelle Sportstudio moderiert. Der sagte über seinen Beruf: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“ Bestimmt hat  auch er sich nicht immer dran gehalten, aber er saß auch niemals beim Kaiser auf dem Schoß, weil man da eine größere Spielübersicht hat. Der Qualitätsreporter Reif dagegen kennt keinerlei Berührungsängste und gehört dazu, wenn es darum geht, den FC Bayern als einzig relevante Mannschaft in Deutschland zu inszenieren. Wenn er also beim nächsten Spiel wieder vermeint, einen Klassenunterschied festzustellen, die Weltklasse von Ribery verkündet oder eine Leistungssteigerung bei Bastian Schweinsteiger gesehen haben will, können wir vermuten: er hat zu tief ins Glas geschaut.

Zu tief ins Glas geschaut hat am Mittwoch eventuell auch Patrick Ebert, weshalb Hertha heute in die Röhre gekuckt hat. Obwohl, es waren zwei Simunic-Fehler, die das Spiel entschieden haben, nicht zu wenig Ideen nach vorne. Aber die Erfolgsmannschaft der letzten Wochen war gesprengt.  Was den durchaus begabten jungen Mann reitet, immer wieder Extratouren zu fahren, weiss vermutlich nur Paul Gascoigne. Ebert darf morgen mit Hertha II gegen den 1. FC Magdeburg ran. Dann ist Länderspielpause, und er kann sich der Frage widmen: Was wollen wir trinken, vierzehn Tage lang?

So sehn Sieger aus, shalalala…

Stuttgart, Schalke, Wolfsburg, Cottbus, Bayern und der KSC haben alle Big Points gemacht an diesem Wochenende. Und alle treten auf der Stelle, was die selbst gesetzten Ziele angeht. Bayern ist jetzt wieder Hoffenheim-Jäger Nummer Eins. Rangnicks Team ließ sich auch durch den nicht gegebenen Elfmeter nicht beirren und holte einen späten Punkt bei den bitter enttäuschten Gladbachern. Mal sehen, ob Hildebrand im dritten Spiel neunzig Minuten auf dem Platz stehen wird. Mit ihm hätten sie wohl gewonnen, das Tor von Baumjohann klang im Radio sehr nach Torwartfehler. Schalke und Wolfsburg und vor allem Stuttgart schleichen sich an. Schalkes schmutziges kleines 1-0 gegen Bremen war noch nicht die Trendwende, aber es sind die engen Spiele mit dem Rücken zur Wand, die eine Saison entscheiden. Obwohl ich früher auf Ernst große Stücke hielt, finde ich seinen Weggang nicht verkehrt. Im defensiven Mittelfeld ist kein Mangel. Und Engelaar kommt noch. Ich habe am Wochenende „The Straight Story“ von David Lynch gesehen, Geschwindigkeit ist nicht alles. Engelaar ist halt mehr ein Rasenmäher und kein Aston Martin, aber zuverlässig. Den Umgang mit Lövenkrands und Streit allerdings habe ich von vorne bis hinten nicht verstanden. Gerade Streit bei den Standards hätte man gut brauchen können. Bordon gegen Höwedes zu tauschen im Winter beim Manger-Spiel war eine gute Entscheidung, aber der Handbruch ist natürlich bitter. Stuttgart kommt langsam ins Laufen, sie haben den psychologischen Vorteil, unlängst Meister geworden zu sein. Keiner hat sie auf der Rechnung. Und bis auf Veh und Meira ist die Mannschaft zusammen geblieben. Leverkusen merkt wieder einmal, dass Sympathiepunkte nicht für Platz fünf reichen. Eine solche Niederlage im ersten Spiel im Zwischenheimstadion ist naürlich Gift für die zarte Fußballerseele. Wolfsburg punktet zu Hause wie ein Uhrwerk, bei denen wirkt auswärts das 2:4 in München noch nach. Hat Hertha Punkte verschenkt in Bielefeld? Es gab Jahre, da haben sie sich dort schon dümmer angestellt. Und ohne Pantelic geht es eben nicht. Am Ende bleibt er doch noch. Nach sieben Heimsiegen in Folge kommen jetzt die Bayern. Die haben trotz Abseitstor und Chancenschlamperei verdient gegen den BVB gewonnen, der mit Leidenschaft, aber planlos dagegen hielt, und seine Konter nicht ausspielte. Phillip Prince Boa and the Tengclub ist ein Gewinn,  für den BVB und für die Bundesliga. War das jetzt die Wende im Meisterschaftsrennen? Es gab schon Jahre, da hatte Bayern nach einem solchen Spieltag zwei Punkte Vorsprung auf den Zweiten und nicht einen Punkt Rückstand auf den Ersten. Und schickte den BVB 4-0 nach Hause. Cottbus und der KSC landen wichtige Siege nach Bielefeld in Bremen vor einer Woche und alle unten rücken näher zusammen. Cottbus war spielerisch deutlich überlegen, es war kein Sieg mit Hängen und Würgen.  Die größte Überraschung waren die drei Stürmer-Tore beim KSC. Plötzlich steht da eine völlig andere Mannschaft auf dem Platz. Und die Badener wittern Morgenluft.

Cottbus und der KSC – beißen, spucken, grätschen

Was auch passiert, Energie wird der Bundesliga erhalten bleiben. Wer es mit Alptraumfußball bis auf Platz 16 schafft, braucht den Abstiegskampf nicht zu fürchten. Außerdem haben sie ja ihren Punktelieferanten aus der Säbener Straße in der Rückrunde zu Hause. Mir sind die Cottbusser sehr sympathisch, gelingt es ihnen doch, mit einem Zehntel des Etats so scheußlich zu spielen wie Dortmund, bevor Jürgen Klopp kam. Ein echtes Plus an Cottbus sind die Reportagen im RBB. Ein begeisterter Cottbus-Fan, ich glaube, es ist Christian Riedel, versucht, im Stadion der Freundschaft die Contenance zu bewahren, wenn Cottbus gewinnt, wie gegen Hertha, Schalke oder Bayern in der letzten Saison. „Aus dem Hintergrund müßte Rangelov schießen, Rangelov schießt…“ Dann kippt die Stimme und ein Hauch von Herbert Zimmermann umweht uns. Dass diese Nobodys unter Prasnikar regelmäßig über sich hinaus wachsen, verdient höchsten Respekt. Standortvorteil: Manchester City wrde niemals einen Cottbusser für 20 Millionen einfach so wegkaufen. Nicht einmal Tremmel, obwohl der bei mir im Managerspiel dabei, ein guter Griff.

Karlsruhe wird am Ende ein bis zwei Plätze weiter vorn landen, die Rückkehr von Federico war eine gute Idee. Maik „der Häcksler von Halberstadt“ Franz wird zwar noch eine Weile fehlen, aber es wird besser laufen als in der halbgaren Hinrunde mit enervierenden 32 Gegentoren. Dass Karlsruhe unten mitspielt, war keine Überraschung. Mit Eggimann und Hajnal haben sie ihre zwei wichtigsten Spieler verloren, die in der letzten Saison kaschierten, dass die Badener keinen bundesligatauglichen Stürmer haben.  Wenn man genau hinsieht, ging den Karslruhern schon im letzten Drittel der Vorsaison die Luft aus. Sie hatten sich mit ihrer grandiosen Hinrunde völlig verausgabt. Und diesen Schlendrian haben sie sich nicht so einfach aus den Kleidern geschüttelt. Wie gesagt, viele Teams, die eigentlich zittern müßten, werden dank Gladbach und Bochum durchkommen. So auch Karlsruhe, die ich am Ende vor Bielefeld und Hannover sehe. Celozzi ist in meinem Managerspiel dabei, auch er ein guter Griff.