Und zum Nachtisch Rolling Sushi

Das Leben ist ein Rolling Sushi, zumindest wenn man wie der 1. FC Nürnberg den Relegationsplatz in Liga Zwei sicher hat, und Woche für Woche die appetitlichen Gegenkandidaten aus Liga Eins an sich vorbeiziehen sieht. Schwere Brocken allesamt, der Club muss Zähne zeigen, um nicht selbst als fränkisches Schäuferle vom Gegner verspeist zu werden.

Gestern, während des Spiels Werder Bremen gegen den VfB Stuttgart hatten der Meister von 2004 und der Meister 2007 beide vorübergehend Platz 16 inne. Am Ende des Tages steht Frankfurt dort, weil das schlechtere Torverhältnis den VfB auf den direkten Abstiegsplatz, der Sieg Werder ans rettende Ufer gebracht hat. In den letzten Wochen schauten auch Augsburg und Hoffenheim mal auf dem Relegationsplatz vorbei. Theoretisch dort landen können auch noch Darmstadt, der HSV und Wolfsburg. Bei solch einer Auswahl fällt die Entscheidung schwer, wen man sich da wünschen sollte.

Der Club hat sich den Relegationsplatz gegenüber der Konkurrenz souverän gesichert und dabei teilweise begeisternden Fußball gespielt. Jetzt gehen die Helden auf dem Zahnfleisch. Burgstaller, der nach seinem 3-1 gegen Leipzig nicht mehr laufen konnte, ist das Sinnbild dafür, dass  die Mannschaft am Ende ihrer Kräfte ist. Nach dem 6-2 gegen Union werden sie noch zwei Energieleistungen brauchen, um aufzusteigen. Trainer Weiler hat es geschafft, ein Team zu bauen, das trotz zahlreicher Schwierigkeiten eine großartige Serie hingelegt hat und in den besseren Momenten schon einiges an Spielkultur erahnen läßt. Die schweren Verletzungen von Erras und Schäfer hat die Mannschaft lange Zeit gut weggesteckt. Mit den beiden in der Stammelf wäre der Club am zweiten Platz vermutlich ein ganzes Stück näher dran, wenn nicht sogar mit dem besseren Torverhältnis an Leipzig vorbeigezogen.

Den Kader hat ganz überwiegend übrigens noch Martin Bader zusammengestellt, auch für das neue Nachwuchsleistungszentrum, aus dem Erras kommt, zeichnet er maßgeblich verantwortlich. Die einzige richtungsweisende Transferentscheidung von Andreas Bornemann war der lukrative Verkauf von Schöpf an Schalke. Im Sommer wird man sehen, wen der neue Manager ausfindig machen kann und wie es ihm gelingt, die Begehrlichkeiten der Konkurrenz auch gegenüber Weiler abzuwehren. Die Vertragsverlängerung mit Erras war ein wichtiger Beitrag dazu.

Gegen wen also soll der Club antreten am 19. und 23. Mai? Bei einem Rolling Sushi drängen sich Fischköpfe förmlich auf, aber gegen Werder, das muss nicht sein. Werder ist sympathisch, außerdem eine KO-Spiel-erfahrene, abgewichste Truppe, die 34 Spieltage lang vor sich hin dümpelt und dann im Pokal plötzlich groß aufspielt. Gegen Stuttgart hat der Club seinen größten Erfolg der letzten Zeit errungen, das könnte ein gutes Omen sein, ebenso wie die miserable Abwehr der Schwaben. Weitere Kandidaten für ein Südderby sind der FC Augsburg und Eintracht Frankfurt. Gegen Augsburg hat der Club schon mal eine Relegation gewonnen, Frankfurt zeigt im Moment Nervenstärke und wäre der Verein, der bei den Clubfans die höchsten Abneigungswerte besitzt. Im Vergleich zu einer Relegation Nürnberg gegen Frankfurt wirkt Game of Thrones wie eine Talkshow mit Anne Will. Darmstadt hat ein paar Big Points liegenlassen und ist sehr abhängig von Wagner und Standards, die Leistungskurve zeigt eher nach unten. Mein Herz gönnt den Lilien den Klassenerhalt, als Gegner wären sie auf dem Papier sicher angenehmer als die anderen. Der HSV hat wohl mit dem verdienten Sieg gegen Bremen den einen Schritt nach vorne gemacht in seiner Entwicklung, der ihm die Relegation dieses Mal erspart. Wolfsburg allerdings ist trotz 5 Punkten und 13 Toren Vorsprung im Moment alles zuzutrauen, auch der Absturz auf Platz 16. Für Hoffenheim spricht, dass sie eine Relegation schon überstanden haben, der Club hat das allerdings schon zweimal geschafft.  Wenn Weiler es jetzt schafft, so zu regenerieren, dass es keinen Spannungsabfall gibt, kann der Club jeden schlagen. Und die letzte halbe Stunde spielt er ja zuhause.

Warum ich so lange nicht geschrieben habe, hat der treue Leser Johannes gefragt. Nun, ich dachte natürlich, ich träume, als Nürnberg 18 Spiele unbesiegt war, und wollte nicht geweckt werden. Außerdem arbeite ich an meinem neuen Kriminalroman, der hoffentlich so spannend wird wie diese Saison mit dem Club.

Leider aus dem Transferfenster gefallen

Es hat mich schon beschäftigt in den letzten Wochen: Wird der Club noch jemand abgeben (müssen), oder bleiben die Spieler aus der Vorbereitungsphase, die irgendwann eine Mannschaft ergeben sollen, zusammen? Des schlechten Spiels in Bochum nicht genug, folgte die schlechte Nachricht am Montag: Niklas Stark verläßt Nürnberg und geht zu Hertha. Schlecht ist die Nachricht natürlich nur aus sportlicher Sicht. Dem defensiven Mittelfeldmann wurde in den letzten zwei Jahren nicht die Zeit gegeben, sich zu entwickeln, wie auch sonst keinerlei Geduld vorhanden war. Stark war keine heimatgetränkte Sympathiebombe, keine rotschwarze Ausgabe von Kevin Großkreutz. Er hat niemals mit Tränen in den Augen auf seinem YouTube-Kanal grünweiße Meerschweinchen ertränkt, nur weil er glaubte, es seinen Fans schuldig zu sein. Aber ein Jugend-Europameister, der im zarten Alter von neun Jahren den Weg zum FCN fand, der hätte gerne noch ein bißchen bleiben dürfen.

Finanziell sind die angeblich drei Millionen sicherlich äußerst willkommen, halten sich doch hartnäckige Gerüchte, dass der Club ein bißchen klamm ist. Klammer jedenfalls, als seine öffentlichen Verlautbarungen es behaupten. Apropos Klammer. Quasi zeitgleich wurde der dritte Österreicher verpflichtet. Er heißt Georg Margreitter und kommt von den Wolverhampton Wanderers, die derzeit in der englischen Zweiten Liga spielen. Margreitter könnte in Nürnberg schnell heimisch werden. Auch die Wolves, die 1888 eines von 12 Gründungsmitgliedern der Football League waren, haben eine ruhmreiche Tradition und eine erkleckliche Anzahl von Auf- und Abstiegen vorzuweisen.  Wenn der Schorsch sich so reinhängt wie Guido Burgstaller, können die Fans für ihn singen „Wou iss denn des Gärchla?

Margreitter, man glaubt es kaum, ist ein Abwehrspieler.  Das ist eine echte Überraschung, denn nach vier Spieltagen wird die klare taktische Handschrift von Systemtrainer René Weiler immer deutlicher erkennbar. Weiler will der erste Trainer im deutschen Profifußball werden, der bei den erzielten und den Gegentoren im dreistelligen Bereich landet. Irgendwo muss man anfangen, hat er sich gesagt, also hat der Club nach vier Spieltagen bereits 12 Tore kassiert. Dieser Schnitt bedeutet am Saisonende 102 Gegentore. Jetzt müssen irgendwie nur noch 120  Tore geschossen werden, um den avisierten Platz unter den ersten Sechs zu erreichen. Das ganze nennt man dann am besten eine extrem offensive Grundausrichtung. Der nach zwölf Spieltagen leider völlig überstürzt entlassene Valérien Ismaël hatte nach den ersten vier Spielen der Vorsaison übrigens sechs Gegentore kassiert.  Damit war er für den sofortigen Wiederaufstieg  natürlich untragbar geworden. Wohl dem, der hohe Ansprüche hat.

Das Aufstiegsgespenst verjagt

Die Leistung war bodenlos, trotzdem ist der Club gleich am ersten Spieltag auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Trainerfuchs Weiler hat mit dem 3-6 in Freiburg die Rahmenbedingungen geschaffen, die es ihm ermöglichen, in Ruhe den Aufstieg im Jahr 2017 2018 2019 anzupeilen. Alle überzogenen Erwartungen wurden eliminiert. Wobei, ich will hier nicht vorschnell die Hoffnungen schüren. So ein Aufstieg, der braucht Zeit. Und das in diesen Fragen erfahrene Management Bader/Wolf gibt Weiler bestimmt die Zeit, die er benötigt. Das war nicht immer so. Vorgänger Ismael war nach fünf, nicht sechs Gegentoren in Fürth am zweiten Spieltag bereits unten durch, als Fehlgriff abgestempelt. Weiler darf bestimmt noch gegen Heidenheim für Spielkultur sorgen, gegen die er zuhause verlor in der Vorsaison, und dann ist ja bald auch Pokal: der Wettbewerb, in dem der Club ein regelmäßig eine Topleistung abruft. Und dann? Dann gibt es vielleicht einen Rechtsverteidiger, der sich nicht so übertölpeln läßt wie Möhwald beim spielentscheidenen 5-3, und einen Offensivspieler, der im eigenen Strafraum nicht zulangt wie ein Möbelpacker auf Tilidin.

Weiler hat vor dem Saisonauftakt laut kicker behauptet, er sei verantwortlich für „eine geschlossene Mannschaft, die sich nie unterkriegen lässt.“ Davon war in Freiburg keine Minute etwas zu sehen. Außer dem glücklich krumm gesäbelten 2-4 nach einer Ecke und dem äußerst gästefreundlichen Elfmeter zum 3-4 war der Club einfallslos und planlos, bolzte die Bälle lang in die Mitte und ließ die letzte halbe Stunde nach dem 3-5 kampflos über sich ergehen. Aber immerhin. Vor dem Spiel sagte Weiler: „Man weiß noch nicht genau, wo man steht.“ Jetzt sind die Zweifel ausgeräumt. Der Club ist Letzter.