Der DFB wird ein bißchen politisch

Es ist gut, dass der DFB im Zusammenhang mit Timoschenko und der besonderen Geschichte mit und in Polen politischer wird. Ein Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz eine Woche vor Beginn des Turniers, das ist kein moralisches Selbstmarketing. Gerade haben sie sechs Verfolgte und Verfemte in die Hall of Fame aufgenommen beim DFB. Die sind tatsächlich dabei sich zu ändern, deucht mir.

Warum nimmt man die europäischen Club-Wettbewerbe jedoch nicht zum Anlaß, regelmäßig zu protestieren? Was heißt Fußball ja – Folter nein! gleich noch mal auf ukrainisch? Ein Flitzer mit einem Foto von Timoschenko beim nächsten CL-Heimspiel von Schachtjar Donezk, wäre das nicht eine Aufgabe für fußballinteressierte Menschenrechtsaktivisten? Als pas de deux mit Femen? Und wenn Entwicklungshilfe an Menschenrechtsstandards gekoppelt wird, warum nicht sportliche Großveranstaltungen wenigstens zum Anlaß für Kritik machen?

Anders als 2008 sind die Gastgeber diesmal ernsthafte Kandidaten für das Halbfinale. Damals war durch die beiden Gruppenköpfe die Favoritentektonik völlig durcheinander gekommen. Jetzt geistern nur die notorisch titellosen Holländer gruppenkopflos durch das Regelement.

Wertvolle Erkenntnisse

Weil die deutsche Fußballpublizistik seit Jahren an einem erblichen Defekt leidet (sogenanntes Bayern-Gen), waren sich nach dem 3-5 gegen die Schweiz am Samstag landauf, landauf so gut wie alle einig, dass die Gewinner dieses Vorbereitungsspiels die nicht anwesenden Bayernspieler gewesen seien. Klar ist ein Jerome Boateng in der Blüte seiner Jahre deutlich besser als ein Mertesacker nach einer mehrmonatigen Verletzungspause, Drogba darf ja nicht mitmachen. Und Philipp Lahm ist – Lederhose hin, treuherziges Bübchengesicht her – ein Weltklassespieler, bei dem es meistens Spaß macht, zuzusehen. Seine Vorbereitung zum 2-1 im Hinspiel gegen Madrid, ein echtes Leckerli. Marcel Schmelzer hingegen hat in Basel gezeigt, dass er beabsichtigt, seine Champions-League-Form notfalls bis nach Donezk mitzunehmen, dito Götze, nur Hummels fremdelt und spielt Fußball.

Der Bayernblock garantierte bisher bei zwei Weltmeisterschaften dritte Plätze mit einem Ausscheiden gegen den späteren Titelträger, bei der letzten EM kam man sogar bis ins Endspiel gegen den späteren Titelträger. Wenn Lahm im Finale 2008 auf dem Platz gestanden hätte, dann wäre Fernando Torres übrigens niemals so zielsicher an jenem Abwehrtölpel vorbeigezogen, diesem…wer war’s doch gleich, ach egal. Insofern ist das muntere Spielchen bei den Eidgenossen nur eine Momentaufnahme. Zu einem 3-3 hätte es mit bajuwarischer Verstärkung locker gereicht.

Abgesehen davon ist es mir immer ganz recht, wenn eine Vorbereitung nicht vollkommen perfekt verläuft. Ein bißchen Improvisieren, ein paar Rückschläge, etwas Unerwartetes können ganz beflügelnd wirken. Ob die Bayern ihre Koan-Titel-Saison tatsächlich alle weggesteckt haben, wer weiß? Bei Lahm, Müller und Neuer denke ich ja, bei Badstuber und Schweinsteiger bin ich mir nicht so sicher. Der eine war schon wegen seiner Gelben Karte gegen Madrid völlig neben sich, und für den anderen ist gegen Chelsea tatsächlich die Welt zusammengebrochen. Eine Startelf gegen Portugal ohne Schweinsteiger? Oder spielt er nur in der Vorrunde? Um im Viertelfinale gegen Tschechien nicht wieder auf Cech zu treffen? Oder erst ab dem Halbfinale? Der Teamchef lächelt, die Wade zwickt, der Rasen schweigt, die Maus kreißt und gebiert einen Berg von offenen Fragen. So ist das in der Vorbereitung.

Bern, Baby, Bern

Eine äußerst unterhaltsame Schneeballschlacht war das gestern im winterweißen Züri West. Ab und zu mal ein kleines Eisbrett in Strafraumhöhe, die Schlitterspuren ergaben Muster, die man gerne auf der Art Basel einmal sehen würde, und der israelische Schiedsrichter Alon Yefet sorgte dafür, dass die Grünen Linien regelkonform gezogen wurden. Zum Glück gab es keine schweren Verletzungen und auch den Reinigungskräften in ihren hornissenhaft über das Feld huschenden Fahrzeugen gelang es nicht, einen Spieler zu überfahren.

Auch wenn es nur eine VfBB-Mannschaft war, für mich bleibt Stuttgart ein heißer Abstiegskandidat. Da ist zu viel Stückwerk dabei, die Mannschaft wirkt nicht wie ein Team und ließ sich von der beherzt aufspielenden Sozietät Wölfli, Schneuwly & Schneuwly binnen vier Minuten übertölpeln. Nachdem Basel mit dem als Trainer sehr repektablen Thorsten Fink in der Champions League noch eine Chance hat, hat es jetzt zumindest ein Schweizer Verein in die nächste Runde der Europa League geschafft.

Auch Leverkusen kam in Trondheim sang- und klanglos weiter, wobei es mir eigentlich ganz gut gefällt, dass sie im Moment keinen Überfliegerfußball bieten. Wie oft sind sie in Schönheit gestorben, nach der Rückkehr von Rolfes, Ballack und Kießling werden sie bestimmt noch schöner und zielgerichteter spielen.

Heute Abend wird es spannend, ob die Krise des BVB schon gegen Lwiw beginnt oder doch vielleicht erst am Sonntag in Nürnberg.