„ausgezeichneter Journalismus und beste Unterhaltung“

Das verspricht die Eigenwerbung der Süddeutschen Zeitung, die sich für ein Leitmedium in diesem Land hält. Meine persönlichen Erfahrungen lassen eher an Leidmedium denken:

Zum 1. April 2011 hatte ich ein Jahresabo der SZ bestellt. Als Prämie erhielten die Leute, die mich geworben hatten, einen Laptop. Dass der Laptop erst mit mehrmonatiger Verspätung nach mehrfacher Nachfrage eintraf, hätte mich stutzig machen sollen. Aber zu voller Form lief der Reigen seliger Dienstleister erst auf, als ich versuchte, mein Abo zu kündigen.

Zunächst, im Juli 2011 setzte ich per E-Mail mein Abo für 3 Wochen aus. Dafür, so versprach mir der SZ-Aboservice in seiner Antwort, würde ich eine Gutschrift erhalten, das Abo würde sich entsprechend verlängern.

Im Dezember 2011 – im Büro stapelten sich die ungelesenen Zeitungen prall gefüllt mit ausgezeichnetem Journalismus und bester Unterhaltung – fragte ich per E-Mail an, bis wann ich mein Abo spätestens fristgerecht kündigen müsste. Die schiere Menge an Informationen war für mich sechsmal in der Woche nicht zu bewältigen.

Außerdem setzte ich mein Abo über die Weihnachtsfeiertage erneut aus.

Am 27. Dezember 2011 schrieb mir eine Frau B. eine Mail. Ich müsste das Abo bis spätestens Ende März 2012 zum 30. April 2012 kündigen, „sofern das Abo nicht erneut unterbrochen wird.“

Am 18. Februar 2012 mailte ich an Frau B., dass ich mein Abo zum Ende der Verlängerungsfrist gerne kündigen möchte und vereinbarte eine weitere zweiwöchige Zustellungspause für Ende März.

Am 20. Februar 2012 mailte mich der Aboservice an: „Wir wollen Sie als Leser unserer Zeitung nicht verlieren. Die Gründe, sich von der gewohnten Lektüre trennen zu wollen, gestalten sich vielfältig, und oft geben sie uns Anregung, unser Angebot und unseren Service zu überprüfen und zu verbessern.  Wir werden uns in den nächsten Tagen nochmals mit Ihnen in Verbindung setzen. Es würde uns sehr freuen, in einem Gespräch auf Ihre ganz persönlichen Beweggründe eingehen zu können.“

Niemand rief mich in den nächsten Tagen an.

Stattdessen bekam ich am 21. Februar eine Mail von Frau N.: „Vielen Dank für Ihr Schreiben, mit dem Sie uns mitteilen, dass wir das oben erwähnte Abonnement zum nächstmöglichen Termin einstellen sollen. Leider kann aber eine Abbestellung des Abonnements erst zum 31.05.2012 wirksam werden, da Sie sich bei der Bestellung über Prämienwerbung verpflichtet hatten, die SZ 12 Monate im Abonnement zu beziehen. Nur unter dieser Voraussetzung hat der Vermittler eine Werbeprämie erhalten. Die Kündigung wurde zum 31.05.2012 vorgemerkt. Durch die Unterbrechung hat sich der Abbestellungstermin verschoben. Bitte haben Sie für diese Entscheidung Verständnis.“

Ich rechnete nach. Pause Juli 2011 plus Pause Dezember 2011 plus Pause März 2011 ergab eine Gutschrift von 37 Zustellungstagen oder etwas mehr als sechs Wochen. Also statt dem planmäßigen Ende meines Jahresabos zum 31. März 2012 (zwölf Monate seit dem 1. April 2011) ein Ende irgendwann Mitte Mai. Und die zehn Tage bis zum 31. Mai 2012, die wollten sie mir wohl schenken, es war aus technischen Gründen ja nicht anders möglich.

Werch ein Illtum.

Am 3. April erhielt ich wieder eine Mail. Nicht von Frau B. , nicht von Frau N. Diesmal war wieder der Aboservice an der Reihe: „Wir möchten Sie heute darüber informieren, dass wir für Ihr Abonnement eine neue Abrechnung erstellt haben und Sie den zugehörigen Beleg als PDF-Dokument in unserem Online-Service unter „Meine Rechnungen“ abrufen können. Bitte loggen Sie sich hierzu wieder mit Ihren Zugangsdaten im SZ Online-Service ein: www.sueddeutsche.de/abo-rechnung“

Eine neue Rechnung? Oha. Aber für den SZ-Kundenservice hatte ich mich gar nicht angemeldet. Am 12. Mai schrieb ich an Frau N., meine letzte Ansprechpartnerin mit einem menschlichen Namen, vielleicht auch nur ein Avatar: „Ich bin nicht registriert. Nach unserer letzten Korrespondenz bin ich davon ausgegangen, dass mein Jahresabo sich wegen Urlaubspausen bis zum 31. Mai verlängert und danach ohne weitere Kosten automatisch endet. Ist dem so?“

Am 16. Mai meldete sich per Mail die bisher noch nicht in Erscheinung getretene Frau F.: „Die Gutschriften für Ihre Unterbrechungen werden mit den offenen Posten verrechnet. Ihr Abonnement endet zum 31.05.2012. Wir lassen Ihnen einen Kontoauszug per Post zukommen.“

Der Auszug traf am 17. Mai ein. Meine 37 Tage Gutschrift waren auf den April 2012 eingedampft worden. Für Mai 2012 wollte der Aboservice 51,86 € von mir. Ich stutzte. Ich hatte ein Jahresabo bestellt, das hatte ich rechtzeitig gekündigt. Für Pausenzeiten hatte ich einen Monat Gutschrift bekommen. Nachdem ich mittlerweile mit vier verschiedenen Kontaktkonfigurationen, Frau B., Frau N., Frau F. und dem Aboservice Höchstselbst korrespondiert hatte und nach meiner internen Hochrechnung wenigstens den halben Mai auch noch hätte erhalten müssen, tat ich erst einmal nichts.

Am 30. Mai kam die Mahnung, natürlich mit Mahngebühr: „Bitte überweisen Sie den unten stehenden Betrag bis spätestens 07.06.2012. Sollten wir keinen Zahlungseingang verzeichnen können, müssen wir die Lieferung der Zeitung (soweit noch gegeben) einstellen und das weitere Mahnverfahren in die Wege leiten.“

Also kein Bankirrtum zu meinen Gunsten. Der Aboservice macht keine Fehler, der Aboservice ist…zum Glück über eine Servicenummer erreichbar. Ich griff zum Telefon, fragte nach Frau N. und landete bei einem verständnisvollen jungen Mann, meinem Ansprechpartner Nummer fünf. In einem zwanzigminütigen Gespräch konnte ich ihm den Hergang der Ereignisse – Aboprämie, Pausenzeiten, rechtzeitige Kündigung, einseitige Verlängerung bis 31.5. – vermitteln.

Meine dringende Frage: Wann hätte ich denn einen Vertrag über einen weiteren Abomonat eventuell abgeschlossen? – „Leider kann aber eine Abbestellung des Abonnements erst zum 31.05.2012 wirksam werden, da Sie sich bei der Bestellung über Prämienwerbung verpflichtet hatten, die SZ 12 Monate im Abonnement zu beziehen.“, hatte mir Frau N. am 21. Februar geschrieben. Lag darin womöglich ein unausgeprochenes Vertragsangebot? Konkludent, wie Juristen sagen. Nicht zu verwechseln mit Kukident.

Dass ich den Vertrag nicht angenommen hatte, hätte eigentlich aus meiner Bemerkung vom 12. Mai ersichtlich werden können: „Nach unserer letzten Korrespondenz bin ich davon ausgegangen, dass mein Jahresabo sich wegen Urlaubspausen bis zum 31. Mai verlängert und danach ohne weitere Kosten automatisch endet. Ist dem so?“

„Ah, jetzt verstehe ich, jetzt verstehe ich,“ sagte der verständnisvolle Mann am Telefon immer und immer wieder. Er blühte förmlich auf, genau wie ich. Endlich verstand mich jemand. Der junge Mann versprach, das ihm anvertraute Wissen alsbald mit Frau N. zu teilen, die, so versprach er weiter „sich auf jeden Fall mit Ihnen in Verbindung setzen wird.“

Frau N. – Nemo, Nihil, Niemals – rief nicht an, mailte und schrieb nicht. Stattdessen trat gestern eine neue Frau in mein Leben. Frau S. haust nicht beim Aboservice, sie ist in der Debitorenbuchhaltung zu Hause. Und es wäre torenhaft und keineswegs debitorenhaft, unterstellte man ihr, Debitorenbuchhalter und Deppen hätten die gleiche ethymologische Wurzel. Frau S. kann nichts dafür. Ihr verbales Säbelrasseln „nach mehrfacher Zahlungsaufforderung“ „Inkassoinstitut“ gehört zum Geschäft. Dass der Süddeutsche Verlag aus mehreren fraktalen Paralleluniversen besteht, legt allerdings ihr launiges Postskriptum nahe: „PS.: Geht Ihre Zahlung jetzt bei uns ein, wird die Fortführung Ihres Abonnements umgehend in die Wege geleitet.“

Also nicht zahlen und dem Auftritt der Inkassoschergen ins Auge sehen? Oder zahlen und umgehend wieder zum Abonnent werden? Bis zum 29. Februar 2016? Bis zum 35. Mai? Bis zum Tode?

„Fragen, Feedback, Lob und Kritik an: “. So lockt der Aboservice neckisch am Ende seiner Nachrichten.

Nein, nichts von alledem, danke der Nachfrage. Wenn einem so viel Schönes wird beschert, will man es gerne mit anderen Menschen teilen. Nicht nur der FC Bayern, so scheint es, befindet sich im Niedergang.

Leihfix statt Verleihnix am Valznerweiher

Am Tag des Derbys Club – Bayern verstieg sich Christof Kneer (SZ) zu der Aussage: „Dieser Tage sind die Bayern mit diversen Ausleihgeschäften gar eine Art Entwicklungshelfer für den fränkischen Rivalen.“ Es stimmt zwar, dass Breno und Ottl in der schwierigen Saison 2009/10 einen Beitrag zum Klassenerhalt geleistet haben und Ekici in der Vorsaison auch ganz gut war. Allerdings ist Bayern nur einer von vielen Vereinen, mit denen Nürnberg klug und planvoll Geschäfte macht. Hegeler, Risse und Reinartz kamen auf Leihbasis aus Leverkusen, Schieber und Didavi aus Stuttgart, Choupo-Moting vom HSV. Sie waren allesamt wichtige Ergänzungen, manchmal sogar Leistungsträger. Mit dem Risiko, jedes Jahr wesentliche Spieler zu verlieren, weiß der Club umzugehen. Es ist zwar ärgerlich, wenn Choupo-Moting und Risse als unabkömmlich zum Hausverein zurückbeordert werden, um dann alsbald an Mainz, einen Mitkonkurrenten um Platz 8 bis 15 weitergereicht zu werden, aber der Club leiht ja nicht nur Spieler aus.

Durch die Verkäufe von Diekmeier (HSV), Wollscheid (Leverkusen), Kluge (Schalke) und Gündogan (Dortmund) sowie schon vorher Kießling (Leverkusen), Vittek (OSC Lille) und Saenko (Spartak Moskau) hat sich der Club – ohne Entwicklungshilfe – nahezu schuldenfrei gemacht. Mit Eßwein, Chandler, Pekhart, Cohen, Nilsson, Simons, Frantz, Maroh sowie natürlich Schäfer und Pinola hat er einen soliden Stamm fest unter Vertrag, Feulner und Balitsch waren echte Schnäppchen. Längst hat es sich herumgesprochen, dass man in Nürnberg als junger Spieler überdurchschnittlich gute Entwicklungschancen hat. Mendler, Mak und Wießmeier sind Spieler, die vor dem nächsten Schritt stehen, Bunjaku ist ein Knipser auf Abruf.

Zuletzt waren es eher die Bayern-Verantwortlichen als die Clubfans, die nach einem Derby Grund hatten, vor Wut zu schäumen. Nach dem 1-1 2011 wurde van Gaal entlassen, das 3-0 im Jahr 2007 mit einem Tor des Ex-Löwen Markus Schroth war ein beeindruckendes Willkommensgeschenk für den gerade reaktivierten Trainer Hitzfeld.

Feulner spielte übrigens bis 2004 auch für die Bayern, ehe er über Köln, Mainz und Dortmund zum Club kam. Wer Kneer auf Teufel komm raus zustimmen will, wird in diesem Werdegang einen Beweis für seine These sehen.

Jetzt mit großem Indianer-Horoskop

Zu seinem 60. Geburtstag hat der kicker Uli Hoeneß am 2.1. groß und lesenswert interviewt. Am 7.1. zog dann die Süddeutsche nach und bezog sich in jeder zweiten Frage auf das kicker-Interview. So etwas nennt man dann wohl Leitmedium.

Auf die Frage, wie sich nach dem Abgang des Feierbiests* van Gaal die Stimmung im Verein geändert hat, antwortet der große Nagetierversteher vom Tegernsee:

Das Gewässer fließt jetzt sauber und ruhig dahin, es gibt keinen Biber, der aufstaut. Es erfolgt ein ungezwungener Austausch.“

Ungezwungen wäre hinzuzufügen: Wenn die Robbe humpelt, macht das Schwein Übersteiger. Hugh und danke für das Gespräch.

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Frédéric Valin vom Blog Zum Blonden Engel hat mir den Ansgar-Brinkmann-Gedächtnispreis für meine Tatort-Kritik „Der Dreck, das Glück und der Tod“ vom 20. Juni 2011 verliehen. Frauenfußball mit Ulrike Folkerts. Obwohl ich ein äußerst ambivalentes Verhältnis zu Wer-braucht-Bielefeld habe, ist mir Ansgar Brinkmann tatsächlich nicht unwillkommen. Mein weißer Brasilianer ist zwar für immer Schnix, aber vielen Dank für die lobende Erwähnung. Warum mir der Bloggerkollege allerdings nachsagt, ich sei ein Wandervogel (wie Brinkmann), der ständig die URL wechselt, ist mir allerdings schleierhaft. Dies ist URL Nummer Drei in sechs Jahren, die lebenslange Beziehung zu URLi Hoeneß natürlich nicht mitgerechnet, von dem ich mir im schuldunfähigen Alter von noch nicht zehn Jahren einmal ein Autogramm geholt habe. Meine Wanderbewegungen sind eigentlich ganz überschaubar. Natürlich gibt es noch meine äußerst lesenswerte Autorenwebsite www.robalef.de mit den Literaturhinweisen, Satiren, Gedichten und Leseterminen, die über den Publikumsmagneten Volk ohne Raumdeckung jetzt systematisch aufgepäppelt wird, aber das läßt sich eigentlich gut auseinanderhalten.

Im Impressum beim Blonden Engel steht der schöne Satz: Ein Blog muss eine Kneipe sein. In diesem Sinne trinken wir auch im Jahr 2012 fleißig weiter.

*niederländisch für: party animal