Meine Saisonprognose – Gladbach Meister, Bayern in der Relegation

Die Bundesliga geht wieder los, und wir können sagen: Wir sind dabei gewesen. Das ist von Goethe, und auch wenn der FC Empor Weimar 06 nur in der Kreisoberliga Mittelthüringen zugange ist, hat der Dichterfürst vom Frauenplan natürlich auch eine Weisheit für eine erfolgreiche Saisonvorbereitung parat: „Vom Nützlichen durchs Wahre zum Schönen.“ In diesem Fall von Ausdauer und Technik über Taktik und Spielintelligenz zum modernen Offensivfußball. Sepp Herberger, der große Aphoristiker aus Mannheim hätte es nicht knapper sagen können. Nicht alle haben auf das Wort des Dichters andächtig gelauscht.  Hier meine Prognose für die neue Saison.

1. Borussia Mönchengladbach, weil Fohlenflüsterer Lucien Favre die richtigen Worte findet, und Traoré und Hazard alle an die Wand spielen.

2. Schalke 04, weil sie mit André Breitenreider endlich den Taktikfuchs mit proletarischer Street Credibility haben, den sie brauchen.

3.  Borussia Dortmund, weil Thomas Tuchel ein verflucht guter Trainer ist, und Mikidingsbums die Saison seines Lebens spielt.

4. FSV Mainz 05, weil der Verein exzellent geführt ist, und viele Nobodys manchmal ein Spitzenteam ergeben.

5. VfL Wolfsburg, weil die Mehrbelastung auf dem langen Weg nach Mailand den Sprit knapp werden läßt.

6. Bayer Leverkusen, weil es nach dem guten ersten Jahr unter Roger Schmidt langsamer vorangeht auf dem Weg nach oben.

7. Hertha BSC Berlin, weil Dardai der richtige Mann ist, und Kalou mindestens 20 Tore schießt.

8. VfB Stuttgart, weil Zorniger die neuen jungen Wilden formt, und es diesmal kaum Verletzungssorgen gibt.

9. 1899 Hoffenheim, weil es nach guter Hinrunde in der Rückrunde keinen Totalabsturz gibt.

10. 1. FC Köln, weil sie sich so unauffällig konsolidieren, dass ich sie in der ersten Version glatt vergessen hatte.

11. Eintracht Frankfurt, weil Veh keine gute Fee ist, die einem einfach drei Wünsche erfüllt, auch nicht Platz, 4, Platz 5 oder Platz 6.

12. Werder Bremen, weil die Mannschaft Zeit braucht, um sich zu finden.

13. FC Augusburg, weil in der kommenden Saison andere Vereine das Momentum haben und die Europa League geistig erst verarbeitet werden muss.

14. Hannover 96, weil der Augenblick, einen neuen Sportdirektor einzuarbeiten, ungünstiger nicht gewählt sein könnte.

15. SV Darmstadt 98, weil der Wahnsinn einen Namen hat.

16. Bayern München, weil der Wurm drin ist, und ich in letzter Zeit immer an die Buddenbrooks denken muss, wenn ich Matthias Sammer sehe. In der Relegation geht es dann gegen Nürnberg.

17. HSV, weil ihn diesmal kein Kühne, Schiri, höheres Wesen noch Tribun retten können.

18 FC Ingolstadt, weil er wie Fürth bei seinem Kurzauftritt mit der Bundesliga fremdelt.

Jena leuchtet

Es war ein prall gefülltes Pokalwochenende mit einigen sehr erfreulichen Ergebnissen. Drei Bundesligisten, die keiner wirklich braucht, der HSV, Ingolstadt und Hoffenheim, sind draußen. Mit Aue, Viktoria Köln und Reutlingen setzten sich außerdem ein Dritt-, ein Regional- und ein Oberligaverein gegen die Zweitligisten Fürth, Union und KSC durch. Die letzten beiden sind nach den hochgesteckten Zielen in einer handfesten Krise, mal sehen, wer von ihnen sich aus dem Kreis der  sechzehn Aufstiegsaspiranten demnächst verabschiedet. Viktoria ist zwar eine Neugründung aus dem Jahr 2010, kann seine Wurzeln aber über mehr als ein Jahrhundert zurückverfolgen. Einer der Vorläufervereine hieß offiziell „VfR Köln 04 rrh.“. Das rrh. stand für rechtsrheinisch, so viel Zeit musste sein. Ich frage mich, wie die Fans damals angefeuert haben, wenn der VfR linksrheinisch angetreten ist: „Hurra, Hurra, der rrh. ist da!“ vielleicht. Ein Verein, der „rrh.“ heißt, geht jedenfalls niemals ohne Punkt vom Platz.

Auch die faustdicken Überraschungen blieben nicht aus. Wer das Weiterkommen von Hertha und Nürnberg in die Kombiwette genommen hätte, könnte sich jetzt wahrscheinlich die kleine Zehe von Kevin de Bruyne leisten, wenn auch nur mit Ausstiegsklausel. Das Elfmeterschießen in Aalen zeigte, dass es mit Nürnberg nicht langweilig wird. Der Club hat nach wie vor das Zeug zum Depp, aber in Aalen hat er seinen Meister gefunden.

Mein persönlicher Glücksmoment war das 3-2 von Jena gegen den HSV. Wenn der Verein an der Pfeffersackchaussee ein Dino ist, der seine Corporate Identity ernst nimmt, dann sollte er endlich aussterben. Das peinliche Gewürge aus der Relegation setzt sich fort. Es bedurfte auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld zweier Freundlichkeiten des Schiedsrichters, der einen Ball im Aus nicht sah und eine Dino-Sympathie-Nachspielminute obendrauf legte, um den HSV in die Verlängerung zu wuchten. Dort siegte dann zum Glück das Gute, Jena kämpfte nicht nur mit heißem Herzen, es war den einfallslosen Hamburgern auch läuferisch und spielerisch überlegen.

Der FC Carl Zeiss Jena spielt leider nicht in der 3. Liga, sondern nur in der Regionalliga Nordost*. eine Klasse höher tummeln sich acht Vereine aus der letzten Saison der Oberliga der DDR, unter anderem auch die ehemaligen Bundesligisten Dynamo Dresden, Energie Cottbus und Hansa Rostock, der letzte Meister der DDR. Die Süddeutsche und die Berliner Zeitung haben ausführlich darüber berichtet.  Jena war im Pokal schon öfters der Favoritenschreck und hat mit Volkan Uluc seit Ende 2014 einen sehr interessanten Trainer, den ich einmal live erlebt habe, als er noch bei BFC Dynamo Berlin war. Außerdem ist Jena der einzige Verein im deutschen Profifußball, der auf seinen Heimtrikots für eine Heavy Metal Band aus Saalfeld und auf den Auswärtstrikots für eine militante Meeresschutzorganisation aus dem US-Bundesstaat Washington wirbt. Das eine würde man eher im Erzgebirge, das andere eher in Rostock vermuten. Wer so saucool ist und reihenweise Erstligisten nach Hause kegelt, der sollte es doch schaffen, demnächst aufzusteigen. Vielleicht gelingt ja auch der Durchmarsch. Darmstadt hat es vorgemacht.

*Korrigiert nach Hinweis von Oliver Fritsch. Danke!

Zweite Liga rockt

Nur noch vier Tage, dann beginnt sie: die beste Zweite Liga aller Zeiten seit der besten Liga aller Zeiten vom Sommer 2014. Mit Bielefeld und Duisburg kehren zwei legendäre Ex-Bundesligisten in den Kreis der glorreichen 18 zurück. Mit den Münchner Löwen hat ein Verein mit hohem Unterhaltungswert die Klasse gehalten. Wenn die Roten früher der FC Hollywood war, dann sind die Löwen der TSV Komödienstadl, die Daily Soap in flauschiblau. Das Personal wechselt schneller als bei Game of Thrones und die Ansprüche sind höher als der Olympiaturm.

Ein Lichtblick sind auch die Roten Bullen aus Leipzig. Dieses wüste und wahllose Bashing leuchtet mir nicht ein. Rangnick ist einer der klügsten und innovativsten Köpfe im Fußball, die beiden Leipziger Traditionsvereine hatten 20 Jahre Zeit, um ihre eigene Fußballkultur aufzubauen. Stattdessen gab es eine liebevoll gepflegte Feindschaft ohne nennenswerte sportliche Außenwirkung. Es ist traurig, dass die Ostvereine mit Ausnahme von Union so weit unten stehen. Egal, ob Cottbus, Rostock oder Dresden, alle haben sich ihre Situation durch hausgemachte Fehler selbst eingebrockt, es waren nicht die bösen Großsponsoren, die den Niedergang herbei geführt haben. Leipzig hat eingekauft wie irre, zugegebenermaßen, aber entscheidender ist, dass Rangnick sportlich das Sagen hat. Außerdem schießt Geld tatsächlich keine (entscheidenden) Tore, wie das Mittelmaß der Premier League zeigt. In den nächsten Jahren kann Leipzig für den Fußball im Osten eine Leuchtturmfunktion übernehmen. Das heißt nicht, dass jeder Verein einen exotischen Milliardär in der Hinterhand haben muss, sondern, dass langer Atem und Strategie auch bei Traditionsvereinen funktionieren können. Bielefeld und Duisburg, Braunschweig und Darmstadt sind Beispiele aus den letzten Jahren.

Das Feld ist ausgeglichen wie nie, man muss suchen, um eine Mannschaft zu finden, die nicht zumindest inoffiziellen Aufstiegsambitionen hat. Außer den beiden Aufsteigern fallen mir nur Sandhausen und der FSV Frankfurt ein. Zusammen mit Leipzig und Union sind das die beiden Vereine, die noch nie in der Bundesliga waren.

Zu den unter den Hand gehandelten Aufstiegsanwärtern gehört natürlich auch wie immer der 1. FC Nürnberg. René Weiler, der aktuelle Trainer mit Langzeitperspektive beim Club, hat als Saisonziel einen Platz unter den ersten Sechs ausgegeben. Dafür hätte der Club in der Vorsaison 50 Punkte gebraucht, also einen Schnitt von 1,4705 Punkten. Erreicht hat Weiler in den 21 Spielen der Vorsaison 1,4761 Punkte. Weiler will den Club also um 55 Tausendstel schlechter machen, um besser zu werden. Das klingt nach langfristiger, nach sehr langfristiger Aufstiegsstrategie. Aber besser den Ball flach halten anstatt wieder Dresche kriegen für unerreichbar hohe Ziele. Für Platz zwei (59 Punkte) brauchte man in der Vorsaison 1,74 Punkte pro Spiel.

Valérien Ismaël, Weilers Vorgänger ohne jeglichen Rückhalt, war in den ersten 13 Spielen auf 14 Punkte gekommen. Der Punkteschnitt von 1,08 hätte am Ende 36,7 Punkte ergeben. Mit 37 hätte der Club die Klasse glatt gehalten. Egal, Nürnberg hat in der Vorbereitung den Viertligisten Schweinfurt 05 mit 1-0 förmlich gegen die Wand gespielt, und gegen Celta Vigo ein 2-2- erkämpft. Da kommt der Auftakt in Freiburg gerade recht. Weiler und Ismaël sprechen beide Französisch. In diesem Sinne: Laissez les bons temps rouler!