Schnappschildkröten im Zeitalter arbeitsteiliger Dienstleistung

„Hammett“ heißt die Krimibuchhandlung in der Friesenstraße, die zusammen mit dem „Otherland“ die Premierenlesungen meiner bisherigen drei Krimis organisert hat. Im Februar war der Laden in der Berliner Abendschau zu sehen. In der Reihe gleich nebenan werden Läden in ihrem Kiez vorgestellt und Christian Koch weist in dem kurzen Beitrag auf ein ebenso interessantes wie geheimnisvolles Buch hin.

„Hammett“ und „Otherland“ liegen Tür an Tür. Wenn der passionierte Leser ein argloses Mammut ist, findet er am Marheinekeplatz sein doppeltes Teerloch. Die beiden Genretempel bieten erstklassiges Fachwissen und unendlich viel Leidenschaft für das geschriebene, gedruckte und übersetzte Wort.

Der Schriftsteller Dashiell Hammett ist mir übrigens wesentlich lieber als der Schriftsteller Raymond Chandler, auch wenn sie immer in einem Atemzug genannt werden, so wie Goethe und Schiller oder die Beatles und die Stones. Zum einen hat Hammett eine aus seiner Sicht bahnbrechende Studie zur Schnappschildkröte verfaßt, ein Tier das ich gerne auch mal in einem meiner Bücher unterbringen würde. Im „Hammett“ ist leider kein Platz für ein derartiges Wappentier, jeder Quadratzentimeter ist mit Büchern belegt.

Chandlers einsame Privatdetektive sind mir außerdem eine Spur zu romantisch, zu einsam, zu sehr die dislozierten Gegenentwürfe zu Staat und Polizei. Kein Alkohol ist auch keine Lösung aber Nur die Flasche war Zeuge nutzt sich irgendwann ab. Hammetts Ermittler sind Teil eines Teams, sie arbeiten arbeitsteilig für einen großen anonymen Dienstleister, die Agentur. Sie sind nicht besonders heroisch und auch nicht notwendig pausenlos schlagfertig und originell. Arbogast, der Detektiv, der in Psycho von Mrs. Bates gemeuchelt wird, könnte ein Hammettscher Ermittler sein, einem, dem es zur Abwechslung mal an den Kragen geht.

Die Continental Ops bedienen einen Bedarf, den der offizielle Ermittlungsapparat nicht mehr befriedigen kann oder soll. Wer heute einen Streit vor einem öffentlichen Gericht vermeiden will, weil es um intime Dinge geht, Patente, Lizenzen, Interna zwischen Inhabern, der geht zum Mediator. Das Familiengericht tagt meistens unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die schmutzige Wäsche und wer sie behalten darf, geht niemand etwas an. Wer einen Ermittler braucht und das Gesetz meiden will oder muss, nimmt sich einen Private Eye. Der ist genauso ein kleiner Angesteller wie der Anwalt in einer Großkanzlei. Chandlers Ermittler erinnern da mehr an Petrocelli oder John McClane mit ihrem fröhlichen oder gewalttätigen Ein-Mann-Humanismus und sind genauso antiquiert.

Hammett besitzt eine außergewöhnliche Erzählökonomie, in „The Glass Key“ gibt es kein Wort zu viel, es ist eine superspannende, lakonische, geradezu maulfaul erzählte Geschichte. Kein Wunder, dass er von den Coen-Brothers als „Miller’s Crossing“ verfilmt wurde.

Die sprachlichen Knalleeffekte, die grotesken One-Liner, die Chandler so glänzend beherrscht, hat Hammett auch drauf. Er setzt sie nur viel sparsamer ein. In „Zierfische“ heißt es über eine Figur, die die Geschichte nicht überlebt: „Er blieb so sitzen, schlaff, das Kinn auf der Brust, die Augen nach oben gerichtet. Tot wie eine gepökelte Walnuß.“ Die Zierfische überleben übrigens auch nicht, auch wenn sie keiner Schnappschildkröte zum Opfer fallen.

 

 

 

 

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