Am Samstag gewann der FC Bayern ein Testspiel gegen Al-Hilal in Riad mit 4-1. Bis auf das Gegentor eigentlich nichts Besonderes, wäre Riad nicht die Hauptstadt von Saudi-Arabien. Dort hat ein Gericht den Blogger Raif Badawi im Sommer 2014 zu einer Strafe von 1000 öffentlichen Peitschenhieben verurteilt, von denen die ersten 50 Schläge am 9. Januar 2015 vollstreckt wurden. An diesem Tag begann auch das Trainingslager des FC Bayern in Katar. Von dort ging es weiter nach Riad, wo die zweiten 50 Schläge just an jenem Tag ausgesetzt wurden, als die Bayern gegen Al-Hilal einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur Weltmarke machten. Aus gesundheitlichen Gründen, wie es hieß. Würde man die Höhe der Antrittsprämie für das Spiel gegen Al-Hilal kennen, könnte man ausrechnen, wieviel Geld die Bayern pro Peitschenhieb kassiert haben.
Dieses erbärmliche Gebaren hat dankenswerterweise @agitpopblog in einem offenen Brief, den Die Zeit online gestellt hat, kritisiert. Der Autor, der als Baron von Agitpop twittert, präsentiert als sein Logo einen grimmigen Dettmar Cramer und ist Bayern-Mitglied. Das heißt, er war es, denn mit dem Offenen Brief hat er auch gleich seine Austrittserklärung auf die Post gebracht. Das ist vorbildlich, und es gibt auch einige andere twitternde Bayernfans, die ein erfreulich hohes Problembewußtsein besitzen, was die Lebenslügen ihres Herzensvereins angeht.
Natürlich hat Sport nichts mit Politik zu tun. Jedenfalls dann nicht, wenn die Politik sich zum Nachteil des FC Bayern auswirken könnte. Das ist die erste und wichtigste Regel im Sportjournalismus. Vor einigen Jahren gab es einen vielstimmigen Aufschrei der Empörung, als Gazprom Trikotsponsor von Schalke 04 wurde. Seit Gazprom einer der Hauptsponsoren der Champions League ist, kräht kein Hahn mehr nach den ökonomischen Beziehungen zwischen deutschen Profivereinen und dem russischen Energieversorger. Der ästhetisch ansprechend gemachte Werbespot schafft die ökonomische Basis für die Anschaffung der Götzes und Xabi Alonsos und die ausführlich abgefeierte Abzahlung des Stadions in Fröttmaning. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Bayern vor den Schalkern aus der laufenden CL ausscheidet, werden die Hinweise, dass Schalkes Erfolg den faden Beigeschmack von Gazproms Sponsoring hat, nicht lange auf sich warten lassen.
Zurück nach Riad, die beste Adresse für Marketing und Markenpflege im Nahen Osten: Am 21. August 2104 meldete Human Rights Watch, dass in den 17 Tagen zuvor mindestens 19 Menschen in Saudi-Arabien hingerichtet worden seien. Bei wenigstens einer Hinrichtung wurde der Verurteile öffentlich geköpft, eine Vorgehensweise, die man versucht, zum Alleinstellungsmerkmal von ISIS aufzubauen, auch wenn „der wichtigste westliche Verbündete in der arabischen Welt“ seit Jahr und Tag diese Praxis an den Tag legt. Wer deshalb gleich Luftschläge gegen die Henker von Riad fordert, sollte bedenken, dass im schlimmsten Fall auch deutsche Nationalspieler unter den Opfern sein könnten.
Ein großartiger Beitrag! Danke! Müsste nicht gerade dieser FC Bayern, der einst mit Kurt Landauer einen jüdischen Präsidenten hatte, viel mehr Sensibilität gerade auch in politischen Dingen an den Tag legen? Oder würde der FC Bayern auch ein Testspiel die Hobbymannschaft von Baschar Hafiz al-Assad machen, wenn das Geld stimmt und der Geldstrom nicht direkt, sondern via VW an die Isar fließt?