Fortsetzung von “Zu viele Fouls?”
Fußball ist ein Sport, in dem Doping relativ wenig bringt. So einen Elfer wie Ribéry machen die meisten mit oder ohne EPO nicht rein.
Radfahren, Leichtathletik, Eisschnellaufen sind Individualsportarten, die – Radexperten mögen mir das verzeihen – im Vergleich zu Fußball vergleichsweise wenig Kreativität erfordern, auch wenn es bei der Tour Wasserträger, Stallorder, Taktiken etc. gibt. Primär ist Radfahren ein Ausdauersport.
Dass die Verletzungen von Frings, Schlaudraff, Ballack mit Doping zu tun haben, ist absurd.
Kehl leidet offenbar immer noch an den Spätfolgen von Salihamidzics Tritt, also nehme ich alles unter Bedauern zurück. Die Dortmunder Darstellung des Gesundheitszustands kam in den letzten Tagen allerdings recht optimistisch daher. Jetzt muß Kehl plötzlich operiert werden. Nichts Genaues weiß man nicht.
Die heutigen Profis sind keinesfalls Weicheier, und ich sehe mir einen Diego, Mintal, van der Vaart lieber topfit an als geschunden und als halberten Krüppel übers Spielfeld humpelnd.
Es ist wohl eher so, dass der klassische Knüppelausputzer vollständig ausgestorben ist und grobe Fouls mehr auffallen als früher. Selbst das leidige Ellebogen-in-die-Fresse ist weniger gefährlich als Tacklings wie das von Diakathe gegen Asamoah im Spiel gegen Nancy vor einem Jahr, das zu einem Beinbruch führte. Weyerich und Stocker beim Club vor dreißig Jahren waren berüchtigt für solche Aktionen.
Metzelder, Bordon, Nesta, Naldo sind alles feine Techniker und selbst Ernst oder Gattuso als taktische Zerstörer kommen neunzig Minuten ohne Foul aus, wenn sie es wollen.
Abgesehen davon, dass der Ligapokal überflüssig ist, fand ich das Duell Wolf gegen Kuranyi beim Halbfinale Nürnberg – Schalke wirklich großartig. 90 Minuten lang unerbittlicher Kampf um jeden Millimeter, praktisch ohne Foul von beiden.
Ob Löw durch seine Einlassung modernere Trainigsmethoden anmahnen wollte? Kann sein. Hans Meyer hat zu Klinsmanns Methoden mal gesagt, so hätten sie 1964 in Jena schon gearbeitet. Jedenfalls stirbt die Ihr-müßt -Gras fressen-und-zwar-alle-gleich-viel-Generation unter den Trainern aus.
Ob das notorisch kollektive Konditionsbolzen so mächtig war, weil man das Modell von den “Elf Freunden” im Kopf hatte, ob also die Voraussetzung für individuelleres Training der Abschied von diesem Modell und die Einsicht in die Zweckgemeinschaft ist, die 25 Fußballprofis darstellen, diese Fragen seien hier einfach mal in die Runde geworfen.
Schlaudraff wird heute im kicker zitiert, er habe ein halbes Jahr Cortisonspritzen bekommen. Soll er doch froh sein, dass er mal ein halbes Jahr krank sein darf nach diesem Mist. Es sind die Pausen, nach einer Verletzung, die zu kurz sind. Die wenigsten Mannschaften können ihre Schlüsselpositionen adäquat doppelt besetzen, also müssen Verletzte und Kranke ran. Bajramovic hat übrigens am Montag sinngemäß das Gleiche gesagt. Scholl und Jeremies haben sich 2001 faktisch geopfert. Dann fehlt Gomez eben mal acht statt zwei Wochen, halb so wild.
Kommentare zu “Doping, Fouls und Weicheier” (10)
Herr Wieland (Drei Ecken, ein Elfer)
24.08.2007
Wenn die Spieler meiner Mannschaft nach 70 Minuten immer noch Vollgas geben können, wenn sie weniger Schmerzen spüren als der Gegner, wenn sie zu mehr Einsatz bereit sind, wenn sie durch die bessere Kondition in der Lage sind, auch spät im Spiel die Taktik noch gut umzusetzten, dann habe ich gute Chancen, das Spiel zu gewinnen.
Heinz Wäscher
24.08.2007
Dass Rob Alef hier noch mal das Rehhagel/Beckenbauer-Märchen vom Fußball, bei dem Doping nichts bringen soll, aufwärmt, ist doch bedauerlich.
Da dürfte die Süddeutsche, die schon die Tour de France in Sachen Doping angemessen begleitet hat, in ihrem heutigen Kommentar näher an der Realität sein.
http://www.sueddeutsche.de/,tt4m5/sport/weltfussball/artikel/649/129430/
Spritzensport Fußball
Maradona hat gedopt, Juventus Turin auch, selbst die Helden von Bern injizierten sich etwas und nannten es Traubenzucker. Trotzdem gilt Fußball bis heute als sauberer Sport. Höchste Zeit, endlich aufzuwachen.
Von Thomas Kistner
Grandios war die Abschiedsgala Zinédine Zidanes. Ohne den Kopfstoß im Endspiel gegen den Italiener Materazzi hätte er Frankreich wohl zum zweiten WM-Titel nach 1998 geführt und sich selbst auf die höchste Stufe, neben Pelé und Maradona. Aber auch so war die Energieleistung des 34-Jährigen bei der WM 2006 sensationell.
Obwohl er in den Gruppenspielen noch wie ein Seniorenkicker agiert hatte, gegen Südkorea sogar entkräftet vom Rasen musste und angeblich voller Frust eine Kabinentür im Leipziger Stadion eintrat. Aber Frankreich blieb im Rennen, und plötzlich drehte Zidane auf. So wie Ronaldo, sein moppeliger Kollege von Real Madrid, der trotz jäh ansteigender Formkurve mit Brasilien im Viertelfinale scheiterte – an den Franzosen um den furiosen Zidane.
Heute werden solche Leistungssprünge im Kraft- und Ausdauerbereich misstrauisch beäugt, überall. Nur nicht in der vornehmsten aller Sportarten: König Fußball verbittet sich jeden Verdacht. Hier gilt, was schon der Doyen der berüchtigten deutschen Sportmedizin, der Freiburger Olympia-Arzt Joseph Keul selig, formulierte: Doping bringt nichts. Ja, es stört die koordinativen Fähigkeiten, die so ein komplexer Sport dem Spieler abverlangt. Großes Indianerehrenwort: Fußballer dopen nicht. Das Totschlagargument von vorgestern gilt noch heute. Erst im Mai beteuerte DFB-Internist Tim Meyer, im Fußball seien »die komplexen leistungsbestimmenden Faktoren der beste Schutz« vorm Pharmabetrug. Und fügte das zweite Mantra der Kickermedizin an: »Es gibt keine Erkenntnisse, dass im Fußball Doping in systematischer Weise betrieben wird.«
Eine kühne Behauptung. Im Fußball gilt wie überall, dass Ärzte und Aktive, die Betrug treiben, diesen öffentlich immer abstreiten werden. Umgekehrt werden Ärzte, die gegen Doping sind, nie ins Zentrum von Betrugspraktiken vorstoßen. Die einen werden immer lügen, die anderen niemals drin sein in der Materie. Dabei scheut just der schwerreiche Fußball, der nie um staatliche Fördermittel bangen musste, unabhängige Kontrollen. Trainingstests gibt es praktisch nicht: 87 in der Saison 2006/07, für erste und zweite Bundesliga und die Regionalligen. Dass sich selbst da noch Sünder finden, spricht Bände.
Gerade im Fußball steigt die athletische Anforderung ständig und rasant. Eine dänische Studie zeigte Ende der Neunzigerjahre, dass Kicker früher sieben, acht Prozent der 90-minütigen Spielzeit volles Tempo gingen – heute sind es gut 15 Prozent. Wurden einst fünf Kilometer pro Spiel zurückgelegt, sind es heute bis zu zwölf. Zugleich nimmt die Zahl der Pflichtspiele zu, die Erholungszeit wird kürzer. Schon 1999 klagte Frankreichs Weltmeister Emmanuel Petit: »Es kommt so weit, dass wir alle Doping brauchen. Einige tun es schon jetzt.«
polyphem
24.08.2007
Ich wollte nur mal fragen. Ich dachte nicht mal an – Zidane. Macht Testosteron aggressiv? Engländer verabschieden sich mit good bye, Italiener mit ciao und Franzosen? Mit einem heftigen Kopfnicken.
polyphem
28.08.2007
Sevilla-Profi Puerta gestorben. Ursache noch ungeklärt???
Viele Tote, viele Fragen. (gefunden bei t-online)
“Der linke Außenverteidiger war am Samstagabend beim 4:1-Erfolg seiner Mannschaft gegen Getafe nach einer halben Stunde zusammengebrochen, hatte aber zunächst das Bewusstsein wiedererlangt. In der Umkleidekabine erlitt der Abwehrspieler jedoch einen erneuten Kollaps, musste reanimiert und an eine Herz-Kreislauf-Maschine angeschlossen werden. Die Ursache für den Kollaps und die mehrfachen Herzstillstände sind noch ungeklärt. Im Januar 2004 war der ungarische Stürmer Miklos Feher von Benfica Lissabon in einem portugiesischen Liga-Match in Folge eines Herzanfalles gestorben. Sieben Monate zuvor war bereits Kameruns Nationalspieler Marc-Vivien Foe während eines Spiels im Könföderationen-Cup kollabiert und gestorben.”
sven
29.08.2007
Sehr aktueller und trauriger post letzten Endes. Das Problem des Ansatzes dieses Artikels ist leider die absolute Perspektive, die innerhalb des Fußballs ja mal null Sinn macht. Schließlich ist Doping im Fußball ja nicht dazu da, um wettbewerbsfähiger gegenüber anderen Dispiplinen zu werden. Nein, vielmehr gibt es im Fußball eine Menge kreativer Spieler und eine Menge ausdauernder, zweikampfstarker und spielzerstörender Spieler. Ob mit oder ohne Foul ist völlig egal. Jedenfalls können diese Spieler noch spritziger werden um den Kreativspielern besser den Ball abnehmen zu können, was dazu führt, dass die Kreativspieler etwas wendiger und spritziger werden müssen um ihren kreativen Vorteil auch ausspielen zu können. Doping im Spitzensport muss dochz relativ zu den innerhalb der Disziplinen gesehen werden. Natürlich gibt es weiterhin talentabhängige Unterschiede, aber auf einem anderen Leistungsniveau. Gefangenendilemma, ich hör dich trapsen…
sven
29.08.2007
Korrektur:
[Doping im Spitzensport muss doch anhand der innerhalb der Disziplinen agierenden Athleten analysiert werden. Natürlich gibt es weiterhin talentabhängige Unterschiede, aber auf einem anderen Leistungsniveau. Gefangenendilemma, ich hör dich trapsen…
seitenanfang
Jan
29.08.2007
Konzentration durch Kondition wurde mir einst eingetrichtert. Kondition durch Doping könnte man den Profis eintrichtern.
Lord_Z
01.09.2007
Ich fürchte ich weiß gar nicht mehr so genau, was ich da mal geschrieben hatte. Daher wird es schwierig das nochmal zu verbrechen.
Generell ist aber, denke ich, zuzustimmen, daß auch bei Fußballern generell Muskelaufbau über Doping (Steroide etc.) und ebenso Ausdaueraufbau über Epo oder ähnliches, sicherlich nicht schädlich ist. Damit ist gemeint: Nicht schädlich insofern, daß es den Fähigkeiten als Fußballer abträglich wäre, ausdauernder und stärker zu sein, ganz salopp formuliert.
Aber auch generell halte ich Doping für keine allzu schlechte Sache, wenn sie unter Aufsicht von Ärzten erfolgt, die über Risiken aufklären können und im Zweifelsfall wissen, wann die Dosierung zu hoch ist. Umso schöner ist es auch insofern, daß die Spieler weniger Kondition blozen müssen und deutlich mehr Zeit für die Schulung ihrer fussballerischen Fähigkeiten haben. Im Endeffekt wird kein bekanntes Dopingmittel darüber entscheiden wie gut jemand vor den Ball treten kann, allerhöchsten wie feste.
Den Mehrwert in der Vorbereitung ewig durch den Wald zu rennen und das dann als großen sportliche Leistung zu qualifizieren, habe ich eh noch nie entdecken können.
Allgemein finde ich es leicht merkwürdig, daß Doping doch sehr stark dämonisiert wird, dabei ist noch nichtmal klar wo es anfängt und wo es aufhört. Dopt nicht schon derjenige, der die besseren Trainingsmöglichkeiten hat? Dopt nicht schon derjenige, der die zulässige Nahrungsergänzung nimmt und sich beispielsweise über ein Getränkt mehr Einweiß zuführt, als mit einer normalen, gesunden Sportlerernährung jemals möglich wäre? Wenn doch ein quasiolympischer Geist (wobei ja nunmal selbst dort freudig gedopt wurde) hinter der Ablehnung von sogenanntem Doping steckt, nun, dann sind sämtliche Vorteile durch bessere Trainingsbedingungen auch Doping. Dann sind auch Höhentrainingslager Doping, Vitaminpräperate … im Endeffekt alle künstlich erschaffenen Trainingsvorteile.
Das Argument der Gesundheit von Sportlern ist sicherlich richtig und sollte auch berücksichtigt werden, nur gibt es dafür nunmal Ärzte. Und von Wettbewerbsvorteilen kann im Endeffekt auch nicht wirklich die Rede sein, wenn, wie im Radsport, allen Sportlern dieselben Möglichkeiten offenstehen. In diesem Fall ist es sogar höchst fair.
polyphem
01.09.2007
In der Tat habe ich ein gesendetes Statement vermisst. Die Kommentare, die ich hier eintrage, sind aber nicht so wichtig, dass ich sie alle archiviere und so musste ich mich doch sehr anstrengen, damit mir wieder einfiel, was ich geschrieben hatte. Es war der Hinweis, dass in dem Text der Süddeutschen, zu dem Heinz Wächter einen Link gesetzt hatte, auf den folgenden Seiten noch interessante Feststellungen getroffen und Fragen gestellt werden. So zum Beispiel, wie die Laufleistung pro Spiel im Spitzenfußball in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist und dass für diese Konditionsleistungen und für die schnelle Erfrischung von “Etappe zu Etappe” durchaus unerlaubte Mittel zur Verfügung stehen. In der Süddeutschen wird Berner darauf hingewiesen, dass schon die deutschen WM-Helden von 1954 “Traubenzucker” gespritzt bekamen.
Wie sehr wünschen wir uns doch alle, dass unser geliebter Fußballsport sauber ist, aber zu glauben, dass es für Mannschaftssport kein Doping gibt, da es nicht sinnvoll ist, scheint mir blauäugig – oder einäugig?
Und zum Abgang des von mir so geschätzten Zidane hatte ich angemerkt: “Engländer verabschieden sich mit good bye, Italiener grüßen mit ciao und manche Franzosen verabschieden sich mit einem heftigen Kopfnicken.” Ein kleiner Zusatz: Die meisten meiner Freunde und Bekannten hatten mich vor der WM 2006 mitleidig belächelt, als ich Zizou und Frankreich ein großes Turnier vorhergesagt hatte…..
polyphem
01.09.2007
pardon – Heinz Wäscher heißt er.