“etatmäßig”, das gibt es noch

Gestern im kicker gelesen und von Fritz von Thurn und Taxis gehört: “etatmäßig”. Eines jener Worte, die stets nur in einem Zusammenhang verwendet werden, Sattmacher für die Phrasenschweine dieser Welt. Nie wurde von einem “etatmäßigen Finanzminister” gehört oder von einem “etatmäßigen Sonnenkönig”.

Nachdem man in den vergangenen Jahren die Schalker der sinnlosen Kaufwut zieh, beklagte man am ersten Spieltag flugs, dass außer Manuel kein Neuer in der Startelf stehe. Gestern standen mit Jones, Rakitic und Westermann drei Neue bei Schalke in der Startelf. Alle drei waren eine echte Bereicherung (bis auf den kämpferischen Übereifer von Mr. Jones in einigen Szenen). Slomkas Elf spielte ohne e… Innenverteidigung besser und schöner als der FC Bayern letzte Saison mit seiner selbigen. Nach dem sehr ansehnlichen 2:2 gegen Meister Stuttgart jetzt wieder nur ein sehr ansehnliches 1:1 gegen Angstgegner Leverkusen. Ohne den Patzer in Wolfsburg könnte man von einem Start nach Maß reden, so dräut die Unentschieden-Seuche vom S04 Besitz zu ergreifen.

Und die Bayern? Kommen mir in ihrer seelischen Verfaßtheit vor wie ein Aufsteiger, der einen Lauf erwischt hat und sein Glück gar nicht fassen kann. Oder wie einst die Frankfurter unter Toppmöller mit Bein, Okocha, Yeboah. Überfliegermäßig weit enteilt, bis die Erde sie wieder hatte. Sind Rostock, Hannover und dezimierte Bremer der Maßstab? Für Grün-Weiß begann die Saison recht eigentlich erst am Mittwoch in Zagreb, und das gar nicht schlecht. Sanogo scheint der Knipser zu sein, den sie sich erhofften, Diego krempelt (krämpelt?) die Ärmel (Ermel?) hoch. Mir hat das gut gefallen: erst 4:0 gegen Bayern verlieren und dann zu sagen: Wir liegen voll im Plan. Cool bis in die wenigen Haarspitzen von Thomas Schaaf ist dieser Verein.

Im Thread “Doping, Fouls und Weicheier” habe ich im Kampf gegen den Spam aus Versehen zwei inhaltlich wertvolle Beiträge gelöscht. Diejenigen, die sich wundern, warum sie nicht zu Wort kommen, sollen ihre Sachen bitte nochmal schicken. Ad rem: Bei der Süddeutschen gibt es eine Galerie der Dopingsünder, der einzige Fußballer ist Lanzaat, der einst beim Kiffen ertappt wurde. Der einzige andere Mannschaftssportler ist der Baseballer Barry Bonds von den San Francisco Giants, bei dem es aber auch nur zahlreiche Verdachtsmomente gibt. Ob Baseball wirklich ein Teamsport ist, in dem es auf Esprit und Gedankenschnelligkeit mehr ankommt als auf Muckis und die präzise Abfolge der immer gleichen Bewegungen, ist zumindest diskutabel. Alle anderen “Dopingsünder” (schmatz, schmatz, mjam, mjam, sagte das Phrasenschwein) sind Individualsportler. Sagt uns das was?

Kommentare zu ““etatmäßig”, das gibt es noch” (14)

gerd cölfen
01.09.2007

Es gab auf jeden fall noch einen kiffenden fußballer, einen farbigen beim fc freiburg, der von dortmund kam,ibrahim tanko oder so..
g.c.

sven
02.09.2007

Ich muss ja schon annähernd über das störrische Beharren an der Vorstellung einer dopingfreien Fußballwelt schmunzeln. Wenn ich nämlich an das heutige Spiel und meinen anhaltenden Muskelkater denke, kann ich sagen, dass Doping bei mir momentan wohl ziemlich sinnvoll wäre. Und ja, als Stürmer ist man zum Teil Individualsportler 🙂

Lord_Z
02.09.2007

Richtig und es gab auch Leute die für ihre Kinder Asthmaspray ausprobiert hatten oder die Haarwuchsmittel genommen haben. Senad Tiganj und Nemanja Vucicevic waren die Herren.

Allerdings halte ich das meiste davon für ziemlich lächerlich. Also bitte, wer bekifft noch gut Fußball spielen kann verdient einen Orden, aber bestimmt keine Sperre und das andere sind auch alles eher Harmlosigkeiten.
Andererseits führe ich die geringe Zahl der Dopingsünder im Fußball auch eher auf die geringe Zahl der Kontrollen zurück. Gerade, da ja die Idee sehr verbreitet ist, daß Doping im Fußball nichts bringt, wird weniger kontrolliert.

Linksaussen
03.09.2007

ähm – herr blogschreiber, wie wärs mal mit ein bißchen nachlesen über juventus turin?
dopingsünder werden nicht immer durch dopingtests überführt. im fußball schon mal gar nicht.

Philipp S.
03.09.2007

Auch im Fußball können Sünder überführt werden, und es ist in der Vergangenheit auch oft passiert – da muss man gar nicht nach Turin schauen. Bereits 1994 beispielsweise wurde Diego Maradona während der WM positiv auf Ephedrin getestet. ARD und ZDF dachten damals selbstverständlich nicht über eine Einstellung der Berichterstattung nach, denn es ging ja nicht um Radsport. Und heute, 13 Jahre später, hat den Fall natürlich jeder vergessen. Ein weiterer prominenter Dopingsünder ist Christoph Dugarry, der ab 1998 für Olympique Marseille spielte, im gleichen Jahr Weltmeister wurde und im Juni 1999, immer noch in Diensten von Marseille, des Nandrolonmissbrauchs überführt wurde. Die Liste der Nandrolonsünder lässt sich fortsetzen mit Namen wie Frank de Boer (2001, FC Barcelona), Fernando Couto (2001, Lazio Rom), Jaap Stam (2001, Lazio Rom) oder dem griechischen Europameister Theodoris Zagorakis (2001, AEK Athen). Letzterer wurde nicht bestraft, da seine Erklärung, der erhöhte Nandrolonwert habe sich auf Grund von zu viel Sex ergeben, akzeptiert wurde (nachzulesen in Chrisoph Biermanns Buch “Fast alles über Fußball”). Der jüngste mir bekannte Fall liegt zwei Jahre zurück, beim Confederations Cup wurden die Mexikaner Aaron Galindo und Salvador Carmona erwischt und mussten das Turnier verlassen.

Aber die Erfolge dieser Spieler und ihrer Mannschaften sind natürlich nicht auf die Einnahme leistungssteigernder Mittel zurückzuführen, denn wie sagte doch Jens Lehmann (stellvertretend für viele andere) in einem SportBild-Interview bezüglich Doping im Fußball: “Es macht nicht schneller, für die Technik hilft es auch nicht. Und Ausdauer kann jeder selbst trainieren.”

Rob Alef
03.09.2007

Sieben Dopingfälle in sieben Jahren als “oft” zu bezeichnen ist eine sehr eigenwillige Beurteilung bei Tausenden von Spielern und Spielen in diesem Zeitraum. Und selbst, wenn es in weniger populären Ländern oder in unteren Ligen weitere Fälle gegeben hat, ist das noch kein strukturelles, kein endemisches Problem. Richtig ist, dass Doping im Fußball meist viel zu lasch bestraft wird. Maradona mit den Zuständen im Radsport zu vergleichen ist allerdings ein schlechter Witz. Die Krise des Radsports geht seit mindestens zehn Jahren und es ist bis zu diesem Sommer immer schlimmer geworden. Eher wäre zu fragen, warum man Olympische Spiele noch überträgt.
Die Kontrolldichte läßt im Fußball ebenso wie das Strafmaß zu wünschen übrig. Allerdings können wir feststellen, dass bei Olympischen Spielen meistens Individualsportler erwischt werden, keine Hockey-, Volleyball-, Handballspieler sondern Gewichtheber, Läufer, Biathleten. Bei Olympia ist die Kontrolldichte wesentlich höher als im Ligabetrieb.
Das Argument, dass so wenig Fußballer erwischt würden, beweise nur, dass alle in das System verstrickt seien, ist eine Verschwörungstheorie, nicht mal eine besonders originelle.
Über Juve habe ich wie empfohlen nachgelesen, ein schwieriger Fall. Im italienischen Fußball hat es tatsächlich eine Verschwörung gegeben, und der beste Schutz dafür waren Leute, die nichts von Verschwörungstheorien halten. Schande, Schande über das große Juve. Ich finde ich die Argumente der Verteidigung jedoch bedenkenswert, die nach den Grenzen medizinischer Betreuung im Leistungssport fragen. Dass jemand “fit gespritzt” wird, ist ja grundsätzlich nichts Illegales, aber wieso ist Cortison erlaubt und Nandrolon nicht?

Lord_Z
04.09.2007

Gerade letzteres frage ich mich auch nur allzu gerne. Meiner Meinung nach spricht höchstens das gesundheitliche Risiko des Dopings wirklich gegen Doping. Und hierbei bin ich nun wirklich kein Experte und kann nicht einschätzen inwiefern dies schädlicher ist, als der Zigaretten- bzw. Alkoholkonsum so mancher Spieler.

Im Endeffekt liegt Lehmann aber doch sehr richtig. Die wenigsten Spieler heute leben doch von immensen Konditions- oder Kraftvorteilen, sondern schlicht von ihren Fähigkeiten am Ball bzw. lebt eigentlich überhaupt jemand mehr von Kondition und Kraft, als von seinen fußballerischen Fähigkeiten. Ok, ein Asamoah vielleicht.

Rob Alef
04.09.2007

Asamoah ist kein Diego und lebt wie Lucio, Gattuso oder Hanke von seiner überragenden Physis, aber er hat sich in den letzten drei Jahren technisch und taktisch unglaublich entwickelt, was sowohl für Slomka als auch für Rangnick spricht. Und natürlich für ihn selbst.

Lord_Z
04.09.2007

Keine Frage, ich würde auch nichts Negatives über Asamoah sagen, ganz besonders nicht nach seinem Tor gegen Dortmund. Ich wollte eben nur darauf hinweisen, daß es recht wenig Spieler gibt, die so sehr von ihrer Physis leben wie Asamoah. Gattuso ist in der Tat ein weiteres gutes Beispiel.
Nur, und das gilt auch für Asamoah, wenn ein Spieler gar nichts am Ball kann, dann wird er auch kein Bundesligaprofi und insofern stimme ich absolut zu, daß Doping im Fußball nun sicherlich nicht so eine Auswirkung hat wie in reinen Ausdauersportarten. Wobei Experte sicherlich betonen würden welch große Technikunterschiede es beim “In-Die-Pedale-Treten” doch gibt.

Philipp S.
05.09.2007

Da die Lächerlichkeit der Aussage Lehmanns offenbar nicht angekommen ist, versuche ich es mit einer Erklärung. Aus seiner Sicht bringt Doping nichts im Fußball, aber Dopingfälle gibt es trotzdem. Warum? Leichtathleten dopen, um schneller zu werden, mit Erfolg, aber im Fußball soll das nicht funktionieren? Mit Nandrolon kann man die Oberschenkelmuskulatur stärken. Das hilft nicht bei der Schusstechnik, wohl aber bei der Schusskraft. Oder ist letztere etwa kein Faktor für den Erfolg? Und der absolute Witz ist der Satz, Ausdauer könne jeder selbst trainieren. Das kann man auch über Radsportler sagen. Die aber, oh Wunder, beschränken sich nicht aufs Training. Und die Fußballer auch nicht.

Rob Alef
06.09.2007

Doch ist schon angekommen, aber laß es mich so sagen: Wenn wir unterstellen, dass ein Sportler durch Doping seine Muskulatur um 100% besser machen kann und Muskulatur 1/5 zu einem perfekten Rennen beiträgt, dann verbessert ein Radrennfahrer seine Gewinnchancen durch Muskeldoping um 20%. Für die Strecke, die sein Konkurrent in fünf Minuten zurücklegt, braucht er nur vier. Beim Fußball ist Muskulatur aber nicht eines von fünf, sondern eines von 20 Kriterien, die Chancen verbessern sich also durch Muskelaufbau nur um fünf Prozent. Ein Ball fliegt mit 105 km/h statt mit 100 km/h auf das Tor. Die Zahlen sind fiktiv, in jedem Fall ist eine Mannschaftssportart deutlich komplexer als eine Einzelsportart, ist eine Mannschaftssportart mit elf Feldspielern komplexer (nicht: schneller) als eine Sportart mit fünf Spielern (Basketball), ist eine Sportart, in der jeder Feldspieler alles machen kann, komplexer (nicht: spektakulärer) als eine Sportart mit vorab präzise verteilten taktischen Aufgaben (American Football) etc. Was Lehmann meint / gemeint haben könnte: Das Risiko, für fünf Prozent erwischt zu werden ist zu hoch bzw. die fünf Prozent kann ich auch noch aus mir herauskitzeln. Letzteres ist wahrscheinlich sogar richtig, denn im Einzelsport sind die Belastungen wesentlich höher als beim Fußball. Gerd Müller wurde beim Dauerlauf laut Katsche Schwarzenbeck früher getragen, das kommt in der Leichtathletik eher selten vor.

Linksaussen
06.09.2007

tja, aber auf höchstem niveau sind es doch genau diese paar prozent, die ein spiel entscheiden können, um mal eine reporterphrase aufzugreifen. wenn ich im cl-finale nach einer langen saison eben auch in der letzten viertelstunde noch sprints ansetzen kann, die der gegner nicht mehr mitgehen kann, kann genau das zum siegtor führen. alles hypothetisch, klar, aber: im fußball wird doch ein immenser auch wissenschaftlicher aufwand betrieben (inzwischen ja auch in der bundesliga), um die leistung jedes einzelnen spielers zu optimieren. wenn man da aber irgendwann körperlich nichts mehr rausholen kann, während es gleichzeitig eine (wenn auch) methode gibt, nochmal ne schippe draufzulegen, überlegt man als profi oder vereinsarzt bestimmt mal. und bei juve hats mitte der 90er ja anscheinend auch nicht geschadet.

herr alefs ständiges argument, daß fußball mehr als nur laufen ist, ist zwar richtig, greift aber zu kurz.
“Das Risiko, für fünf Prozent erwischt zu werden ist zu hoch” – was für ein risiko? beim fußball gibt es doch kaum trainingskontrollen (und das auch noch nicht sehr lange), es gibt nur urintests. bei der wm 2006: 228. in der ganzen letzten bundesligasaison: 964. 87 trainingskontrollen (quelle für alle zahlen: der sz-magazin-artikel von kistner).
bei wievielen spielern und spielen? sieht mir nicht gerade hoch aus das risiko, selbst wenn die spieler so dämlich wären, mit nachweisbaren dopingmitteln nachzuhelfen und diese dann nicht mal rechtzeitig zum turnier abzusetzen.

so erklären sich dann auch die sieben dopingfälle in sieben jahren. wenn man die im sz-artikel genannten systematischen dopingfälle dazurechnet (juve mindestens vier jahre, olympique marseille einige jahre, fc sion drei jahre), wären das schon mal (zehn jahre mal angenommener kader von 25 spielern) 250 fälle mehr.

es ist doch naiv, weiterhin auf dem dopingfreien fußball zu veharren. im fußball steckt soviel geld, daß ein paar prozent mehr oder weniger über millionen entscheiden können (cl-quali: das entscheidende tor ist 15 mio wert). und mit doping kann man eben die paar prozent rausholen. und das risiko, erwischt zu werden, ist sehr gering. und fußballer, trainer und manager haben sich ja nicht gerade als moral- und gewissensbelastete personenkreise gezeigt.

Philipp S.
07.09.2007

Ein kleiner Nachtrag zu Quido Lanzaats Foto und was es uns sagt. Für mich sieht die Sache so aus: Um zu zeigen, dass es Doping auch im Fußball gibt, präsentiert die Sueddeutsche Zeitung einen unbekannten Profi, dem Haschischkonsum nachgewiesen wurde, Doping höchstens zweiter Klasse also. Dabei hätte man wälen können zwischen zwei Verteidigern von Weltklasseformat, einem Europameister, einem Weltmeister und einer Legende, die alle einen echten Dopingfall in ihrer Vita haben. So wird das Thema verharmlost, nach dem Motto, Doping im Fußball gibt es zwar, aber nur auf niedrigem Niveau, mithin kein Grund zur Sorge.

Wobei ich nicht weiß, was im Text zu der Bildergalerie steht, da ich die Seite nicht finden kann. Und in jedem Fall befasst sich die Sueddeutsche mit der Materie anderswo sehr ernsthaft, siehe z.B. der von linksaussen erwähnte Artikel.

Lord_Z
08.09.2007

Gut, dann konstatieren wird doch mal einfach, daß Fußballer ihre Kraft und ihre Ausdauer mit sogenanten Dopingmitteln erhöhen. Erklärt mir jetzt noch jemand das Problem bei der Sache? Ich finde es immer noch prächtig wenn die Spieler weniger Zeit in Krafträumen und im Wald verbringen müssen und dafür an ihrer Technik, Zweikampfführung etc. feilen können.