Uben und onten kann man schnell velwechsern

Die drei CL-Teilnehmer routiniert und effizient vorne, dahinter ist alles unklar. Nürnbergs zwei Punkte zum Beispiel nehmen sich eher mickrig aus. Aber so wie Hoffenheim und die Hertha mit ihren anderen Gegnern umgesprungen sind, sind das in dieser Saison vielleicht verkappte Spitzenteams. Wenn es nach dem Bayern-Spiel drei Punkte wären, gäbe es auch nichts zu meckern für den Club.

Dahinter Mainz und Bremen. Bei Mainz halte ich einen ähnlich bärenstarken Start wie vor einigen Jahren für möglich. Die Minimalisten von der Weser sind sehr gut weggekommen bisher. Sie hatten das Glück, gegen die zwei nominell schwächsten Teams beginnen zu dürfen. Aber wer weiß. Letzte Saison war der Auftaktsieg der Bayern in Fürth der Startschuß für eine tolle Saison. Vielleicht geben diese sechs Punkte so viel Sicherheit, dass Bremen sich oben festsetzt.

Dann die beiden Geheimfavoriten Hertha und Hoffenheim. Selbst wenn sie ihre nächsten Spiele gewinnen: der Club fing letztes Jahr mit sieben Punkten an, und spielte dann eine sehr entspannte Mittelfeldsaison, keine Spur von Überflieger. Dann Wolfsburg und Gladbach, die beiden Teams, die zum Auftakt verloren und ihr zweites Spiel  gewonnen haben. Starke Auftritte, auch schon bei den Niederlagen letzte Woche. Hannover konnte den guten Auftakt nicht veredeln.

Der Club hat jetzt zwei Rückstände aufgeholt, allerdings muss er gewinnen, wenn er zuhause zur Halbzeit 1-0 führt. Gegen Hoffenheim war er zwischen der 20. und der 50. Minute zu passiv, gegen Herthat zwischen der 50. und der 80. Sie müssen das Spiel machen. Sie können das auch. Sie sind spielerisch und kämpferisch bärenstark, wenn sie alles abrufen, und haben unglaublich gute neue Leute verpflichtet. Wer jederzeit in der Lage ist, ein Tor bei Rückstand zu machen, der darf auch das 2-0 oder 3-0 vorlegen. Das haben sie auch gegen Sandhausen versäumt, auch da nach einer Führung. Wenn sie gegen die Bayern ohne Durchhänger spielen, werden sie in München etwas holen, wenn sie ein Päuschen machen, gehen sie leer aus.

Den Elfmeter für Hertha kann man geben. Baumjohann hätte vorher schon vom Platz gemusst, Pinola hätte aber gar nicht erst die körperliche Nähe suchen müssen, er hat trotzdem hat ein richtig gutes Spiel gemacht. Nervig war die Einseitigkeit des Schiedsrichters bei den persönlichen Strafen. Die Clubberer mussten nur blinzeln und sahen Gelb, Hertha foulte sich munter durchs Gelände. Ich habe nichts gegen kleinliche Schiedsrichter, und dieses Spiel brauchte die kurze Leine, aber dann bitte gleichmäßig. Wobei man auch sagen muss: Schiri Winkmann hat Ginczeks robusten Einsatz bei seiner tollen Vorarbeit zum 1-0 nicht abgepfiffen und den Freistoß für Ginczek gepfiffen, der zum 2-2 führte. Nach dem nicht gegebenen Tor für Hoffenheim ist Schiedsrichterschelte nicht das dringendste Problem für den Club.

Nach ihren Auftritten am zweiten Spieltag fragt man sich, ob Schalke gegen den HSV am letzten Wochenende nicht vielleicht ein verkapptes Abstiegsduell war. Die CL-Quali wird kein Selbstläufer, Schalke muss höllisch aufpassen. Der HSV geistert mal wieder durchs Niemandsland der eigenen Ansprüche.

Zum Schluß die Punktlosen. Braunschweig und Augsburg zweimal unter Wert geschlagen, um Freiburg mache ich mir keine Sorgen, die werden sich schnell finden. Bei Stuttgart kriselt’s schon, das finde ich übertrieben, wenn fast die komplette erste Abwehr ausfällt. Frankfurt hatte wie Gladbach fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen gegen sich. Frankfurt verpflichtet den Wunschstürmer Kadlec, dabei ist es die Abwehr, die Sorgen macht. Bei Stuttgart spürt man, dass nicht nur der zweite Anzug, sondern auch das Nervenkostüm auf Kante genäht ist. Dieser Holperstart ist eigentlich kein Problem, aber jetzt muss auch noch die Europa League moderiert werden, das stresst.

Nächste Woche spielen zwei 6-Punkte Manschaften (Dortmund – Bremen) und zwei mal zwei 0-Punkte Mannschaften (Braunschweig – Frankfurt, Augsburg – Stuttgart) gegeneinander. Wenn bei den letzten beiden die Heimmannschaft gewinnt, wird es stressig für die Verlierer.

Sam auf Son statt Son of Sam

Son of Sam war der Spitzname des Serienkillers David Berkowitz, der in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts sechs Menschen ermordete. Dermaßen blutrünstig geht es in der Leverkusener Offensive nicht zu, auch wenn man guten Stürmern gelegentlich Killerinstinkt attestiert. Trotzdem spricht einiges dafür, dass Sidney Sam und Heung-Min Son in dieser Saison in vielen gegnerischen Strafräumen Angst und Schrecken verbreiten werden. Schnell und spielfreudig, mit einer sehr guten Schußtechnik ausgestattet, überrannten sie die Freiburger Abwehr ein ums andere Mal und waren nur im Abschluß nicht konsequent genug Und es gibt ja noch Stefan Kießling, den Mann für die Kopfbälle, die krummen Dinger, die Bälle, die man irgendwie reinwurschteln muss. Bei seinem 1-0 kam ihm zugute, dass Oliver Baumann, der Torwart des Sportclub, am Samstag nicht seinen besten Tag hatte. Leverkusen spielte unaufgeregt und wie aus einem Guss, kein schlechter Auftakt für eine Mannschaft, die auch beim Endspurt um die Champions-League-Plätze in der letzten Saison Nervenstärke bewies.

Völlig neben sich stand Schiedsrichter Kinhöfer in Hoffenheim, der der TSG ein glasklares Tor durch Volland verweigerte. Der Ball beim Tor der Engländer im Achtelfinale gegen Deutschland 2010 war noch ein bißchen deutlicher drin, trotzdem eine bizarre Fehlentscheidung. Nürnberg verdiente sich den Punkt trotzdem redlich, viele Maßnahmen von Trainer Wiesinger – Stark als Sechser, Ginczek im Sturm, Chandler auf der Bank – zahlten sich aus. Man sieht, dass der Kader viel mehr Alternativen bietet als im letzten Jahr. Der Club und Schalke sind die beiden Vereine, die am Wochenende einen Rückstand aufgeholt haben. Das spricht für chaotisches Abwehrverhalten ebenso wie für intakten Teamgeist.

Gegen Frankfurt gegen Aufsteiger Hertha einen Traumstart. Gegen die bissigen Clubberer wird sich am nächsten Sonntag zeigen, ob die Berliner in überragender Frühform sind oder die hessische Eintracht  im Moment neben sich steht. Die niedersächsische Eintracht, der Aufsteiger aus Braunschweig bezahlte gegen Bremen bitteres Lehrgeld in seinem ersten Bundesligaspiel nach fast 30 Jahren.

Saisonvorschau – Helter oder Skelter: HSV, Gladbach, Hannover, Nürnberg

Platz 7 und drei Punkte Rückstand auf Platz 6. Dass der HSV sich nach der letzten Saison auf dem Weg in die Europa League wähnt, ist keine Überraschung. Mir kommt das überzogen vor. Zum einen drängen von hinten Mannschaften, die letzte Saison phasenweise neben sich standen (Wolfsburg, Mainz, Stuttgart, Hoffenheim) zum anderen haben die 51 Punkte, die Frankfurt 2013 holte, selten genug für den sechsten Platz gereicht. 2010 hatte Stuttgart 55 Punkte, 2011 Mainz 58 Punkte, 2012 Stuttgart 53 Punkte. Mit Son ist der beste Stürmer weg, Anspruchsdenken und Möglichkeiten klaffen zu weit auseinander, um noch weiter nach oben zu kommen. Im Führungsgremium gibt es wenigstens eine notorische Petze, die die Frage aufwirft, ob sich an der Elbe die Illuminati breit gemacht haben. Mehr als Platz 7 ist auch diesmal nicht drin, trotz van der Vaart und Adler. Es sei denn, Rudnevs explodiert in dieser Saison, wie er angekündigt hat.

Gladbach hat im Pokal gleich mal einen Schuß vor den Bug bekommen. Die Botschaft ist deutlich: Lässig wird nicht reichen. Mit einem Auftakt gegen Bayern, Hannover und Leverkusen könnte sich die eine oder andere Enttäuschung nahtlos anschließen.  Was für Gladbach spricht, ist die eingespielte Defensive, die Verpflichtung von Kruse und das hohe Ansehen von Trainer Favre. Aber auch für die Borussia vom Niederrhein wird es eng beim Angriff auf die internationalen Plätze. Insofern ist es gleich doppelt blöd, dass man den Pokal als Qualifikationsweg für Europa hergeschenkt hat. Gladbach hat seit dem hauchdünnen Erfolg in der Relegation zwei nahezu optimale Jahre erlebt. Platz 8 vom letzten Jahr war nach dem Weggang von Reus und Dante fast schon sensationell. Jetzt beginnen die Mühen der (Hoch-)ebene, die irgendwo zwischen Platz 6 und Platz 10 liegt.

Martin Kind hat für Hannover irgendwo „zwischen Platz 3 und 6“ als Saisonziel ausgegeben. Ähnlich wie beim HSV kommt mir das sehr ambitioniert vor. Mit Abdellaoue ist ein guter Stürmer weg, mit Schmadtke der überdurchschnittlich gute Manager, dessen Handschrift man bei Köln schon sehen kann. Diouf kann sensationell werden, wenn er sich bis zum 31.8. nicht noch anders überlegt. Weiter nach oben zu kommen, läßt sich in jedem Fall nicht im Hurrastil der vergangenen Jahre bewerkstelligen. In der Europa League hat 96 traumhaft schöne und mutige Spiele abgeliefert, aber die kommende Saison wird ähnlich zäh wie das Pokalspiel gegen Viktoria Hamburg. Kann sein, dass Slomka ohne seinen Gegenspieler Schmadtke die Mannschaft wieder mehr beflügelt, aber es wird ein großes Gedränge geben zwischen Platz 5 und 15.

Der Club ist zwar schon wieder im Pokal ausgeschieden, trotzdem traue ich der Mannschaft die beste Saison seit dem Pokalsieg 2007 zu. Zwar sind Klose und Simons weg, und der sichere Elfmeterschütze Simons hat gegen Sandhausen gefehlt. Genauso wie Gebhardt und Pinola als Schützen gefehlt haben. Letzterer musste wegen Entkräftung leider sieben Minuten zu früh vom Platz. Aber der Club hat gegen Sandhausen nicht wegen der löchrigen Defensive verloren, sondern weil er seine spielerischen (und kämpferischen) Möglichkeiten zu halbherzig einsetzte. Der Club ist mittlerweile in der Lage, gegen jede Mannschaft in der Liga das Spiel zu machen. Wenn er das nicht tut, wird er alles verlieren. Bis auf die beiden Abgänge ist die Mannschaft beisammen geblieben, mit Pogatetz und Ginczek hat er zwei Sofortverstärkungen geholt, hinzu kommen die Langzeitverletzten Hlousek und Gebhardt als Quasi-Neuzugänge. Dass Mintal jetzt Co-Trainer ist, hat mehr als nur sentimentale Bedeutung. Er ist der Spieler, der beim Club in den letzten zehn Jahren den Unterschied gemacht hat und kann die Mannschaft nochmal einige Prozent besser machen. Der Club hat alles, was es braucht, um eine Saison am oberen Limit zu spielen: Routine (Feulner, Schäfer, Nilsson) und Jugend (Stark, Plattenhardt, Mendler), Biss (Gebhardt, Pogatetz, Balitsch) und Esprit (Kiyotake, Mak, Frantz). Mit Ginczek und Esswein hat er endlich zwei torgefährliche Stürmer. Wenn das Umfeld die Ruhe bewahrt und sich auch durch einen mäßigen Start nicht irritieren läßt, kann der Club da landen, wo die drei Mannschaften gerne hinwollen, die letzte Saison vor ihm standen.