Die SpVgg Greuther Fürth ist seit 1997 dabei und damit dienstältester Zweitligist. Manche Kritiker halten dem Verein vor, er ginge zu schlampig mit seinen Aufstiegschancen um, dabei haben die Fürther ganz andere Ziele, als eine Bundesligasaison lang belächelter Punktelieferant zu sein. Das Fürther Konzept – mit ökologisch verrottenden Playmobilmännchen und Bratwürsten aus Freilandhaltung – ist auf Nachhaltigkeit angelegt. Am Ronhof strebt man an, den Rekord von Fortuna Köln zu knacken, die von 1974 u. Z. bis 2000 in der Zweiten Liga spielten. Im Moment fehlen also nur noch läppische vierzehn Jahre, am Samstag wurde in Kaiserslautern das Projekt „Platz Vier, was sonst?“ erfolgreich gestartet. In vierzehn Jahren, im Jahr 2023, ist Benno Möhlmann 69 Jahre alt, in diesem Alter wurde Aragones Europameister. Und Henry Kissinger würde sich über ein besonderes Geschenk zu seinem 100. Geburtstag sicherlich freuen. Aber Vorsicht, ein Moment der Schwäche, ein Schritt vom Wege, ein einziger Aufstieg macht alles zunichte.
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Ihre Meinung zu Bild, Herr Heesters?
„Ich kenne noch die Zeiten ohne BILD – fürchterlich langweilig!“ meint der bekannte Greisklassenspieler, und wer weiß: Hätte schon der Völkische Beobachter Deutsche Möpse auf Seite eins gezeigt, vielleicht hätte das Deutsche Reich in Stalingrad sogar gewonnen. Aber nein, das gehört sich nicht. Einen Mann, der in Dachau absichtlich falsch gesungen hat, um den Zweiten Weltkrieg zu verhindern, verspottet man nicht. Er spottet jeder Beschreibung.
Erwartungsgemäß ist die heutige Ausgabe von Bild völlig langweilig, als auch dort Michael A. Roth pflichtschuldig als Nürnberg-Napoleon tituliert wird. Zum Glück gibt es in diesem Land Meinungsvielfalt, welche in einer ausdifferenzierten Presselandschaft zum Ausdruck kommt. Thomas Winkler gelangt in der taz zu einer ganz eigenständigen Sichtweise: Napoleon mag nicht mehr. Und weil auch die Sportberichterstattung der heiligen Dreifaltigkeit von These, Antithese und Synthese folgt, geht die FAZ in ihrem Erkenntnishunger noch einen Schritt weiter: In Nürnberg nennen sie ihn „Napoleon vom Valznerweiher“. Die Eingeborenen selbst also dürfen hier zu Wort kommen, grad so wie sie Ralf Kohl vom Sportclub in Freiburg alle nur Kanzler riefen, damals in den Neunzigern. So, wie Johannes Rau vom VfB Stuttgart von allen nur noch Altbundespräsident gerufen werden wird, sollte es einem Spielberichterstatter grade mal langweilig sein.
Es ist wie es ist: Mike Krüger wird bis zum Jüngsten Tag „Blödelbarde“ sein – bitte immer ohne Artikel schreiben – und „Rock-Röhre“ meint immer nur Tina Turner. Dass man Schwierigkeiten hat, bei Michael A. Roth keine albernen Gedanken zu hegen, liegt nicht nur an seinen 1,63, die ihn 2 cm kleiner machen als das Kopfballungeheuer Maradona, sondern auch an seinem Fränkisch. Wer Fränkisch hört, denkt als erstes an Lothar Matthäus und als zweites an Michael Glos. Vor einem dritten Gedanken schreckt der Zuhörer zurück, und wer die Stellenanzeigen für Gebärdendolmetscher aufmerksam liest, wird immer wieder den Satz finden: Franken werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt. Das hat seine Gründe.
Es wird noch viele, viele Erwin Pelzigs brauchen, um der Welt zu zeigen, zu welchen Hintergründigkeiten und Subtilitäten das Fränkische fähig ist. Klaus Bittermann, in dessen Edition Tiamat so schöne Bücher erschienen sind wie Futebol. Fußball. Die brasilianische Kunst des Lebens von Alex Bellos, ist zum Beispiel in Kulmbach geboren. Dass der Herausgeber der Critica Diabolis im Main-Spessart-Kreis einen Doppelgänger hat, macht es nicht leichter, Vertrauen zum Fränkischen zu fassen. Auch Thomas Gottschalk ist in Bamberg geboren, Henry Kissinger in Fürth.
Zugegeben, die Verpflichtung von Jeff Vliers, der 1979 ganze 48 Tage im Amt war, wird immer ein dunkles Kapitel der ersten Amtszeit von Roth bleiben. Aber zu seinen Personalentscheidungen gehörten auch Magath, Wolf, Meyer und nicht zuletzt Manager Bader. Seit der am 1. Januar 2004 in Nürnberg anfing, kann von Allmacht keine Rede mehr sein. Bereits vorher, als Roth an Augenthaler festhielt und damit den Wünschen der Fans nachkam, war von Größenwahn nichts zu sehen. Neun Trainer in Roths erster Amtszeit von 1979 bis 1984 ließen sich bei Bedarf immer gegen ihn ins Spiel bringen, aber die Jahre zwischen dem ersten Aufstieg in die Bundesliga 1979 und dem Aufstieg der Höher-Truppe 1985 mit Eckstein, Köpke, Reuter waren fast noch schlimmer als das Jahrzehnt Zweite Liga davor. Nichts stimmte im Verein, der Anspruch nicht, das Sportliche nicht. Roth brachte die Finanzen in Ordnung und hatte dann genug vom Traditionsverein. In den knapp 15 Jahren seit 1994 wurden es dann noch einmal 14 Trainer, wenn man die eine Woche von Interimstrainer Lieberwirth nach der Entlassung von Wolfgang Wolf mitrechnen will. Aber natürlich will man, denn je mehr Trainerentlassungen, desto mehr Napoleon.
Auch an Roths Anzügen nimmt die Meinungsschneidergilde gerne Maß. Wenn er, wie gelegentlich kolportiert wird, in jedem seiner Anzüge einen Zettel hat, auf dem steht, wann er das gute Stück zum letzten Mal getragen hat, dann sollten sich daran nur Leute stören, die Peter Neururer für eine Stilikone halten.
Roths größter Auftritt kam beim letzten Auswärtsspiel gegen Eintracht Frankfurt im April 2008, als Feuerwerkskörper aus dem Nürnberger Fanblock beinahe zu einem Spielabbruch geführt hätten. Roth stellte sich auf das Spielfeld, und auch die Blödesten der Blöden respektierten den Mann, dem sie Mintal, den DFB-Pokal und die Existenz des Vereins zu verdanken hatten. Nürnberg gewann 3-1. In der taz schrieb Frank Hellmann: Als Gagelmann das Spiel wieder angepfiffen hatte, stellte sich Roth für eine geschlagene Stunde vor seine Fans – mit der Gefahr, dass der nächste Feuerwerkskörper ihn getroffen hätte. Ob er keine Angst gehabt habe? „Ich habe doch den größten Teil meines Lebens schon hinter mir“, beschied der 72-Jährige – und lachte. Quel homme.