Kimmich? – Don’t Believe The Hype

Thomas Hummel (SZ) vergleicht Joshua Kimmich nach dem 1-0 gegen Nordirland allen Ernstes mit Philipp Lahm. Christian Gödecke und Danial Montazeri (SPON) behaupten imBrustton der Überzeugung, Deutschland habe „wieder einen Rechtsverteidiger“. Auf Twitter überschlagen sich die Kommentatoren. Warum nur?

Glauben wir ausnahmsweise mal der UEFA, die in ihrer Statistik folgende Zahlen liefert. Benedikt Höwedes spielte in 195 Spielminuten 68 Pässe und hatte eine Passquote von 90 Prozent, Kimmich spielte in 93 Minuten 66 Pässe mit einer Quote von 88 Prozent. Nun könnte man meinen, Kimmich sei doppelt so aktiv gewesen wie Höwedes, allerdings beschränkte sich Kimmichs Beitrag zum Aufbauspiel in der zweiten Halbzeit darauf, Sechs-Meter-Rückpässe auf Khedira zu spielen. Und das gegen eine nordirische Mannschaft, die sich in der gesamten Spielzeit keine einzige Chance herausarbeitete. Höwedes musste sich gegen die Ukraine und Polen zweier Mannschaften erwehren, die die deutsche Defensive ständig unter Druck setzten, trotzdem hatte er gegen Polen kurz vor Schluß sogar die Chance zum (unverdienten) 1-0. Kimmichs Auftritt am Dienstag war ordentlich, aber ihn herauszuheben in einer Mannschaft, in der Özil endlich der erhoffte Taktgeber war, und alle, bis auf Hector, Neuer, Boateng und Müller besser spielten als vorher – die ersten drei so gut wie zuvor, letzterer bescheiden wie zuvor – entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Ich glaube gar nicht, dass man damit vor allem den neuen Posterboy des FC Bayern abfeiern will, gut, die FCB-Twitterer wollen vermutlich genau das. Ansonsten es ist wohl eher der dringende Wunsch an Joachim Löw, die Verjüngung der Mannschaft voran zu treiben, der aus dieser unproportionierten Lobhudelei spricht. Schweinsteigers Einwechselung gegen die Ukraine war eine gelungene emotionale Pointe, aber halt auch ein wenig Retro.

An weniger prominenter Stelle liest sich die Bewertung von Kimmich schon etwas anders. In der Einzelkritik zum Nordirland-Spiel heißt es auf SPON zu Kimmich: „Der Rechtsverteidiger ist vor allem für die Offensive ein Gewinn. Viel angriffslustiger als Benedikt Höwedes auf dieser Position, war er in zahlreiche Offensivaktionen verwickelt. Machte das gut, brachte endlich Flanken ins deutsche Spiel ein. Was er defensiv kann, das wird man an anderer Stelle sehen.“ Im Testspiel gegen die Slowakei sah man, wie Kimmich mit Haut und Haar absoff. Vom kicker bekam er dafür eine 5,5, Boateng, Hector und Rudy jeweils eine 3,5. Im CL-Hinspiel gegen Juventus versaubeutelte Kimmich die 2-0-Führung des FCB in Turin beinahe im Alleingang. Er hatte es Thomas Müllers Treffer zum 2-2 im Rückspiel zu verdanken, dass danach keiner von seinen Patzern sprach.  Gegen Gegner, die sich ein bißchen mehr zutrauen als Nordirland hat er also eine äußerst durchwachsene Bilanz. Was bei einem 21-Jährigen durchaus passiert. Vor lauter Lob überschlagen muss man sich trotzdem nicht.

Dass Thomas Müller einen Patzer von Kimmich bei dieser EM postwendend wieder ausbügelt, ist nach dem bisherigen Verlauf des Turniers nicht zu erwarten. Es ist kein Fluch, der Müller befallen hat, und kein Pech, er wirkt einfach überspielt, ausgebrannt. Der Raumsucher sucht seinen Esprit. Auch David Alaba, dem Gesicht des österreichischen Scheiterns, ist die Leichtigkeit abhanden gekommen. Müllers letzte nennenswerte Aktion in der abgelaufenen Saison war das Kopfballtor gegen Juventus.  Es wäre keine Denkmalsschändung in dieser an Denkmälern so reichen Mannschaft, wenn der Bundestrainer Müller eine Pause gönnen würde. Das nächste Hoffungsträgerlein in Gestalt von Leroy Sané steht schon bereit. Auch der kriegte in der Regenschlacht von Augsburg eine 3,5. Und er kann es über rechts.

Wir managen interactive, während unsere Follower tweeten

Besonders schlimm und gemein und für das Überleben des deutschen Volkes insbesondere kontraproduktiv sind ja die Fremdwörter, die man nicht so einfach übersetzen kann: Followers zum Beispiel. Sind das jetzt Folgende, Folger, Folollis, oder Anhänger, Nachleser, Fans. Aber Fan ist ja auch eingewandert. Hat sich hier breitgemacht, im Land von Heine und Fontane, welcher vor über hundert Jahren bereits das Wort Tourist verwendete in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Und Walter von der Vogelweide hätte auch erst mal richtig Deutsch lernen sollen.

Ist Yoghurt eigentlich ein dümmeres Wort als Autobahnzubringer, nur weil es aus der Türkei stammt? Dabei hat Yoghurt nicht nur eine Kultur, sondern mehrere Kulturen. Die Türkei als eine Yoghurtkulturennation wäre gewiss eine Bereicherung für die EU, und während der rechtsdrehende Rasse-Thilo die Meinungssau Tag für Tag durchs Mediendorf  treibt, kann ich bei Twitter mittlerweile den 200. Follower begreeten und allen danken, die mir tweeten. Da wir seid Kung Fu Panda wissen, dass es keine Zufälle gibt, handelt es sich bei #200 tatsächlich um Daniel Otto vom Hertha BSC Blog, der den Neustart von Volk ohne Raumdeckung als Erster entdeckt hat, als es noch gar nicht losgegangen war.

Im größten Zweitligastadion der Republik geht es am 8. Oktober übrigens gegen die Türken und ich frage mich, ob die Berliner SPD noch schnell einen Intelligenztest für die türkischen Fans (da ist es wieder!) einführen will, um dem volksparteilichen Spektrum ihre Kernkompetenzen vorzuführen. Wenn die Partei von Willy Brandt bereit zum großen Wurf ist, kann sie ja auch gleich Horst Mahler als Ehrenmitglied aufnehmen, auch so ein Klartexter, Vordenker und Tabubrechmittel, der den Kuschelkonsens gegen den Strich bürstet.

Twitschenbilanz

Am Sonntag konnte ich mich über meinen fünfzigsten Follower bei Twitter freuen. Auch wenn man nicht alles wissen will, was dort geschrieben wird – jetzt stehe ich auf — jetzt putze ich mir die zähne — jetzt den oberkiefer — jetzt den unterkiefer – werde ich gelegentlich interessante Schreiber und Schreiberinnen vorstellen und hier verlinken.

Der SC Matting hat nicht nur ein echt knuffiges Logo/Wappen, das vermutlich auf seine bienenfleißige Mittelfeldreihe zurückgeht,  sondern schrieb am Wochenende ein unvergeßliches Kapitelchen Sportgeschichte:

Fußball-Krimi in Oberhinkofen: In einer dramatischen Partie gewann der TSV Aufhausen das Relegationsspiel gegen den SC Matting.

Für die Kreisliga übrigens.

Mit dabei jetzt auch Freistoßspezialist Oliver Fritsch, dessen direkter Blog um einen indirekten Presseüberblick ergänzt wird, schwer auszurechnen für alle gegnerischen Abwehrreihen.

Fans des VfL Bochum, der nichts dafür kann, dass einer seiner Fans Herbert Grönemeyer ist, können sich zum Blauen Blog [Blog existiert nicht mehr] begeben, direkt, nicht über Los, und natürlich auch keine 4000 Mark Handgeld einziehen. Den Blauen wäre zu wünschen, dass nach Stefan Kuntz nicht auch noch Marcel Koller verschwindet. Aber der scheint der Modeerscheinung Fliegender Wechsel bisher widerstehen zu können.

In der wirklichen Welt hat Favre gegen Hoeneß gewonnen, was wahrscheinlich kein Nachteil für Hertha ist. Und Tim Wiese ist bester Torwart Deutschlands, meint der kicker. Was formal wahrscheinlich sogar stimmt, aber nichts an der Größe Robert Enkes ändert.