Köllner und der 1. FCN verteidigen Platz 2

Von der Tennisspielerin Martina Navratilova stammt folgendes Zitat: „Um eine große Sportlerin zu sein, kommt es nicht darauf an wie gut du bist, wenn du gut bist, sondern wie gut du bist, wenn du schlecht bist.“ Wenn man der Frau, die neunmal Wimbledon gewann, Glauben schenken darf, entwickelt sich beim 1. FC Nürnberg gerade eine große Mannschaft unter einem großen Trainer. Der Club hängt in den Seilen, seit Wochen schon. Was phasenweise spielerisch leicht gelang – Pässe in die Schnittstelle, Chancenverwertung, Raumaufteilung – muss er im Moment jedem Gegner und sich selbst 90 Minuten lang abtrotzen. Und trotzdem steht er auf Platz 2.

Es liegt nicht nur an der Verletzung von Mikael Ishak. Die gegnerischen Mannschaften spielen aggressiver als in der Hinrunde, weshalb Hanno Behrens nicht mehr so offensiv von hinten anschieben kann wie noch vor einigen Monaten. Es ist lange her, dass der Club einen Mittelfeldspieler mit so einer physischen Präsenz hatte. Er fehlt im letzten Drittel. Edgar Salli (25) wird immer spielintelligenter, war im Pokal gegen Wolfsburg defensiv überragend, aber er ist kein Knipser. Adam Zrelak (23) hat man keinen Gefallen getan, als man ihn mit Marek Mintal verglich. Er ist kein Phantom aus der Tiefe oder aus dem Nichts, sondern ein klassischer Brecher, der viele Szenen am und im Strafraum braucht. Ein Markus Schroth könnte er werden, ein Wandspieler. Federico Palacios (22) fehlt noch die Feinabstimmung für seine bisweilen genialen Ideen. Fabian Bredlow (23), der im Tor manchen Punkt festhielt, hatte zuletzt einige Wackler. Eine Mannschaft im Aufbau. Vielleicht wäre es besser, Tobias Werner (32) von Anfang an zu bringen. Er ist einer der wenigen offensiven Neuzugänge mit Erfahrung, macht Bälle fest und gibt dem Spiel mehr Struktur.

Manchen ist die Zweite Liga zu spannend

Wer ernsthaft geglaubt hat, dass der Club in dieser Zweiten Liga zum Durchmarsch ansetzt, bloß weil er im Februar dreimal Tabellenführer war, der hat nicht verstanden wie eng es in Liga Zwei zugeht. Er hat vor allem auch nicht verstanden, was für eine hervorragende Entwicklung der Club in dieser Saison genommen hat. Man lese die Aufsteigerprognosen vom August 2017 noch einmal nach – der Club kommt da nicht vor. Union, Ingolstadt, Darmstadt, alle liegen sie weit hinter dem 1. FCN. Und auch in dieser Durststrecke hat er seinen Vorsprung auf den ärgsten Verfolger Kiel verteidigt und auf Platz vier in all den Wochen nur einen Punkt verloren. Sieben statt acht Punkte sind es jetzt. Ein Three-Score-Game würden sie bei ranNFL sagen. Der kicker nennt das Schneckenrennen um den Aufstieg, während in der Bundesliga die große Langeweile beklagt wird. 17 Punkte Vorsprung sind zu viel, zwei sind zu wenig. Wie hätten sie’s denn gern? Es ist zum Glück nicht jedes Jahr so, dass ein Überflieger wie RB Leipzig die sportlichen Entwicklungsschritte im Zeitraffer durchläuft oder ein Absteiger aus eigener Blödheit wie der VfB Stuttgart neofeudal ausgestattet zum Wiederaufstieg antreten darf. Wer hier von Schneckenrennen redet, macht Vereine wie Bielefeld, Sandhausen und Regensburg schlecht, die mit geringsten Mitteln mehr sind als Punktelieferanten für die Teams auf Platz 1 bis 3. Es ist spannend und eng – um so besser.

Die Darbietung von Nürnberg gegen die Leute aus Vach war fahrig und einfallslos, und die Niederlage nach dem wirklich schönen Tor von Narey verdient. In den anderen vier Spielen war der Club mindestens ebenbürtig und hat zweimal einen Rückstand aufgeholt. Im Boxen nennt man das Nehmerqualitäten. Düsseldorf hat am Montag Abend verloren. Die Leute, die sich am Köllner-Bashing erfreuen, jetzt, da das Bader-Bashing seinen Reiz verloren hat, lasten dem Trainer die vermeintliche Stagnation an. Zum Glück lässt sich die sportliche Leitung durch die mantraartig wiederholten Bedenken nicht beirren. Mitten in der „Krise“ hat Tim Leibold seinen Vertrag verlängert. Die zweite Halbzeit gegen Darmstadt und das Spiel in Dresden zeigen, dass der Club gerade wieder dabei ist, sich die alte Sicherheit zurückzuholen. Und irgendwann trifft auch Patrick Erras nach Ecke wieder. Kein Grund zur Panik. So gut war der Club schon lange nicht mehr, als er schlecht war.

Sternschnuppe des Südens

Im Brustton der Überzeugung hat der kicker vor einigen Wochen verkündet: „Was jetzt für Tuchel spricht“. Das war kurz nachdem Jupp Heynckes einmal mehr für sich gesprochen und erklärt hatte, über die Saison hinaus nicht den FC Bayern trainieren zu wollen. Das schleimig-grabschige Rührstück zwischen Ui Hoeneß und Heynckes hätte bei jedem anderen Verein dazu geführt, ihm seine öffentlich ausgetragene Unprofessionalität vorzuwerfen. Beim FCB haben die beflissenenen Spindoctors im öffentlichen Meinungsraum das Gezerre erfolgreich zu einem Komödienstadel mit Männerfreundschaft umgedeutet.  Nach dem Debakel mit Thomas Tuchel ist der Brustton der Überzeugung einem diskreten Räuspern gewichen. Die Scham- und Schonfrist vorbei. Immer mehr zeigt sich, dass die Krise des FC Bayern eine Krise zweier Führungsstile ist. Hoeneß will der bajuwarische Hemdsärmel sein, der Verträge per Handschlag und mit Schmalzler* besiegeln möchte. Nicht nur in seinen historischen Dimensionen ähnelt er immer mehr Franz-Josef Strauß. Karl-Heinz Rummenigge wäre gerne der gobale mover and shaker, der alle in die Schranken weist: Die Supermacht Manchester City und den aufmüpfigen, basisdemokratischen FC St. Pauli. Der Donald Trump des Weltfußballs.

Der Donald Trump des Weltfußballs

Der kicker thematisiert das interne Hauen und Stechen an der Säbener Straße natürlich nicht (die SZ schon), und gibt stattdessen Rummenigge über mehrere Tage hinweg ein Podium im Kreuzzug gegen 50+1. Über all der Planlosigkeit bei der wichtigsten Personalentscheidung der nächsten Jahre ist es beinahe in den Hintergrund getreten, dass die Bayern ihr Spiel in Leipzig hochverdient verloren haben. Wie so oft in den letzten Wochen waren die Spieler zu behäbig und uninspiriert, auch die Taktik von Sankt Jupp hat nicht funktioniert. Natürlich wird jetzt trotzdem unverdrossen die Platte „Meisterschaft schon an Ostern…“ gespielt, nachdem die Mannschaft von Hasenhüttl und Rangnick beim Rekordversuch vor zwei Wochen der Spielverderber war. Aber es ist kein Geheimnis: Jede Mannschaft mit einer couragierten Leistung kann den taumelnden FC Bayern schlagen, auch Dortmund, das ohne Tuchel nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Für diesen FCB reichen auch Stögers Wuchtbrummen.

*Schnupftabak

Pfeifen im Blätterwald

RonnyK / Pixabay

Hertha hat es vorgemacht, wie man gegen Bayern erfolgreich Widerstand leisten kann in dieser Saison. Zweimal haben sie unentschieden gespielt. Am Samstag reichten Grundelemente der Defensivarbeit, um einen Punkt aus München zu entführen und die Liga wieder spannend zu machen: Laufbereitschaft, gute Raumaufteilung, ein starker Torwart, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Zweikampfstärke. Außerdem hatte die Alte Dame einen Schiedsrichter, der ihr die Leistung nicht kurz vor Schluss versaute. Auch das Spiel in Wolfsburg eine Woche zuvor hätte unentschieden ausgehen müssen. Aber da ließ Schiedsrichter Sascha Stegemann beim Schwälbchen von Arjen Robben Großzügigkeit walten, und Robert Lewandowski vollstreckte. Der Faller mit Armwedeln von Lewandowski in der 87. Minute gegen Hertha reichte für Guido Winkmann nicht. Auch mit seinen 34 Jahren fällt in der Liga niemand überzeugender als Robben. Schon wegen seiner Schwalben, die in jeder Saison für zwei bis drei Bayern-Siege gut sind, sollte man ihm einen neuen Vertrag geben. Mit dem überzeugenden 2-0 von Schalke in Leverkusen ist die Liga wieder spannend geworden. 20 Punkte, das hört sich nach viel an, aber fünf der Gegner des FCB heißen Dortmund, Leipzig, Augsburg, Gladbach und Frankfurt. Wenn man davon ausgeht, dass stetig schwächelnde Bayern diese Spiele verlieren, sind es noch fünf Punkte und fünf Spiele.

Der Verfall einer Familie

Bayern schwächelt seit Wochen. Gegen Beşiktaş brauchten sie einen Platzverweis und danach noch mehr als zwanzig Minuten, um das erste Tor zu erzielen. Gegen Hertha elf gegen elf fiel ihnen gar nichts mehr ein. Der beste Stürmer Kinglsey Coman hat sich schwer verletzt. Der zweitbeste, Lewandowski, bereitet offenkundig seinen Abgang vor. Die ehemals glänzenden Robbery können nicht mehr viel mehr als Zuschlagen und Hinfallen. Jupp Heynckes sehnt seinen Ruhestand herbei. Die medizinische Abteilung ist seit dem Mobbing von Guardiola gegen den Mull ein Schatten ihrer selbst. Ein Plan für die neue Saison ist nicht zu erkennen. Um den Dauerverletzten Manuel Neuer wird ein Eiertanz aufgeführt, der die WM-Ambitionen in Gefahr bringt. Das ist kein Horrorszenario, das sind Selbstverständlichkeiten, die die Spatzen von den Dächern pfeifen, die man eigentlich in jedem seriösen Sportteil jede Woche erörtert sehen möchte. Die Bayernblase bietet in der Zwischenzeit Streicheleinheiten für die Spitzenmannschaft von ehedem. Die Welt veröffentlichte gestern einen nahezu sinnfreien Text, der versucht, die Genervtheit von Heynckes in der Trainerfrage durch geheimnisvolles Raunen zu einem großen Rätsel umzudeuten. Heute drischt die gleiche Zeitung, grob unsportlich wie Ribéry und Vidal halt auch so sind, auf die Konkurrenz ein: Das Niveau hinter den Bayern war noch nie so erbärmlich. Die Liga hatte noch nie so viele interessante und gute junge Trainer, taktische Konzepte und Spielideen. Die Berichterstattung war noch nie so unterwürfig, weil Bayern aus dem letzten Loch pfeift.

Ein Trauma? Echt jetzt?

Der kicker gibt heute unter der melodramatischen Überschrift Trauma Madrid: Rummenigge kritisiert UEFA jede Lebenslüge zum verdienten Ausscheiden im Viertelfinale der Champions League gegen Real im letzten Frühjahr eins zu eins und unkommentiert wieder. Manchester United 1958 und Chapecoense 2016 waren traumatisiert. Anlass hier ist die Entscheidung der UEFA, bis auf weiteres keinen Videobeweis in der CL einzuführen. Rummenigges Aussagen sind Stimmungsmache eines schlechten Verlierers, der kicker bläst das zum „Trauma“ auf. Der Vorstandsvorsitzende entblödet sich nicht, nach der Serie von Fehlentscheidungen, die den Bayern ihr 20-Punkte-Polster verschafft haben, zu behaupten: „Wenn ich ehrlich bin, bedaure ich das [die Entscheidung der UEFA], weil ich in der Bundesliga festgestellt habe, dass die Schiedsrichterentscheidungen, die jetzt getroffen werden, weitestgehend viel seriöser und auch fairer sind als das, was man in der Vergangenheit oft erlebt hat.“ Der kicker veröffentlicht das so, als sei er die Kundenzeitschrift des FCB, eine der Kundenzeitschriften.

Der SC Freiburg ist nicht Real Madrid, aber alles, was er am kommenden Sonntag braucht, ist eine konzentrierte Mannschaftsleistung, um die Liga wieder drei Punkte spannender zu machen. Und einen Schiedsrichter, der die gleichen Regeln für alle anwendet.