Sag mir was Schmutziges, Liebling

Einszunull.

Willkommen zur 49. Bundesligasaison. Es waren die beiden schmutzigen 1-0, die dem ersten Spieltag das Sahnehäubchen aufsetzten. Das 1-0 von Nürnberg erlebte ich im Olympiastadion. Es war das erste Saisonauftaktspiel, das ich live erleben konnte. Kann schon sein, dass der Sieg für den Club unverdient war, die Niederlage für Hertha jedenfalls war verdient. Wer bei seiner Rückkehr so wenig zustande bringt, der fängt sich dann halt eins ein kurz vor Schluß. Nürnberg präsentierte eine gelungene Mischung aus Borussia Dortmund (Technik) und Tai Chi (Geschwindigkeit). Und immer, wenn sie so schnell kombinierten wie in der letzten Saison, war Hertha überfordert. Das war im ganzen Spiel insgesamt 43 Sekunden lang der Fall. Eine Chance in der ersten, eine Chance in der zweiten Halbzeit und das 1-0.

Torschütze Pekhart ist ein interessanter Mann. Nicht ganz so groß wie Peter Crouch, aber stets in der Lage den tödlichen Pass zu spielen. Er fällt ein bißchen theatralisch, aber das liegt wahrscheinlich auch daran, dass man bei einem 1,94-Mann spontan denkt: Hab dich nicht so. Bemerkenswert auch die Deckungsarbeit der Nürnberger, die alle defensiven Kopfballduelle gewannen. Schäfer hatte zwei Bälle zu halten. Der neue Mann Klose fügte sich gut ein. Feulner lancierte überraschenderweise nicht gleich wieder einen Hattrick wie gegen Bielefeld, dribbelte sich ein paar Mal fest, ansonsten aber weder Angst noch Bange ums Mittelfeld aufkommen ließ. Cohen zeigte mehr Kampfgeist als die gesamte Hertha. Hegeler gab 28 Sekunden nach seiner Einwechslung die Vorlage zum Siegtreffer,  Mendler spielte gut mit. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob hier wirklich Not gegen Elend am Start war, oder ob diese Club-Abwehr auch Mannschaften mit einer Offensive in Schach halten kann. Dass vier der sieben wichtigsten Spieler (Schieber, Wolf, Eciki, Gündogan) weg gegangen sind  – Schäfer, Pinola und Simons sind noch da – war dem Club nicht anzu merken. Und in der Hinterhand Mak, Herr Nilsson, Maroh, Frantz, Esswein und Bunjaku, ein sehr ausgeglichener Kader. Die Mannschaft hatte Ordnung und Spielanlage, in Zukunft alles dreimal so schnell, dann war das der Anfang einer wunderbaren Spielzeit.

Wir saßen in einem gemischten Block, sehr viele Clubfans im Stadion, sogar der Oberrang des Fanblocks war gut gefüllt. Neben uns ein Ostberliner, ins Stadion gekommen, um Hertha eine faire Chance zu geben. Er war restlos enttäuscht.  Die Herzen der Berliner zu gewinnen, wird weiter eine Herausforderung für den Aufsteiger. Sportlich muss dieses Spiel nicht viel heißen. Vielleicht tun sie sich auswärts anfangs sogar leichter. Unterschätzen sollten sie den im Umbau befindlichen HSV trotzdem nicht. Die haben von  Barcelüdenscheid zwar ihre Auftaktlektion bekommen, trotzdem sah das schon wieder sehr nach Mannschaft aus. Nach überforderter Mannschaft, aber immerhin.

Das zweite 1-0 des Spieltags trug sich in München zu. Die stets schonungslos analysierende Süddeutsche titelt: „Aufbruch in den Krisensommer“. Das steht zwar im Wirtschaftsteil, bezieht sich aber womöglich auch auf das FestgeldConto Bayern München, dessen Ratings am Sonntag Abend in den Keller rauschten.  Zuletzt konnte glaube ich Kaiserslautern das Auftaktspiel in München gewinnen, die wurden dann mit Rehhagel Meister. Der kicker schreibt ebenso schonungslos: „Nachdem zwei große Möglichkeiten nicht in die überfällige Führung des FCB mündeten, sorgte ein Missverständnis in der Bayern-Abwehr für die Entscheidung.“ Ein Mißverständnis namens Neuer, was wirklich ein Jammer für den begabten und sympathischen Buerer Bua, aber nicht minder absehbar ist. Der Club verlor 2007/08 sein Auftaktspiel nach einem Patzer des neuen Keepers Blazek zu Hause gegen Schalke mit 0-2. Blazek blieb immer ein Fremdkörper und der Club stieg ab. So schlimm muss es für Bayern nicht kommen, es gibt ja Hertha und Köln, aber  jetzt geht es nach Wolfsburg. Die Wölfe von Dompteur Magath mit einem Bärenhunger auf Tore ausgestattet. Das könnte schwierig werden, auch wenn Grafite nicht mehr da ist.

Bremen spielt wieder Fußball, ist das nicht schön.

Spanien tänzelt den orangenen Stier ins Tal der Tränen

Devot und freundlich seien die Deutschen ausgeschieden, meinte die Süddeutsche nach dem Halbfinale. Vielleicht hat Philipp Lahm den Zeitungsausschnitt an Mark van Bommel weiter gereicht. Jedenfalls wollten die Holländer offenbar eins nicht: in Schönheit sterben. Das Spiel war nicht ganz so brutal wie die Vorrundenpartie zwischen Brasilien und der Elfenbeinküste und kein Vergleich zur Schlacht von Nürnberg zwischen Holland und Portugal im Achtelfinale vor vier Jahren. Nach acht gelben und einer gelb-roten Karte stand nach 120 Minuten trotzdem fest: Auch die kontrollierte Rüpelei ändert nichts daran, dass Spanien im Moment die beste Mannschaft der Welt ist und dieses Endspiel hochverdient gewonnen hat. Holland attackierte viel früher als Deutschland, erspielte sich wenigstens Standardsituationen und hatte einige ganz große Konterchancen, die je nach Sichtweise kläglich vergeigt oder vom Heiligen Iker grandios entschärft wurden. Robben zog weit rechts sehr einsam seine Kreise, van Persie fand nicht statt. Auch Stekelenburg entschärfte einige spanische Chancen, aber es waren keine einzeln gesetzten Konter, sondern Früchte unermüdlicher präziser Offensivarbeit. Mit jedem Spielabschnitt zog Spanien das Tempo ein bißchen mehr an, dachte sich noch ein paar neue Ideen aus, um das Abwehrbollwerk der Holländer aufzureißen und vier Minuten vor dem Ende fand Iniesta, der einige Abwehrspieler zermürbt hatte, die Lücke und behielt die Nerven. Dass er eine gelbe Karte in Kauf nimmt, um vor 2 Milliarden Menschen seines toten Kollegen Dani Jarque zu gedenken, ist nicht nur eine wildromantische Geste, sondern zeigt auch, dass die fünf spanischen gelben Karten meist ein anderes Kaliber hatten als die holländischen. Van Bommel und de Jong hatten sehr viel Glück, das Ende des Spiels auf dem Platz zu erleben. Ersterer beherrscht die Kunst, einmal glatt rotwürdig zu foulen und dann den Rest des Spiels nicht mehr negativ aufzufallen wie kein anderer. Auch gestern hielt er sich nach seinem großen Auftritt in Minute 22 gezielt zurück. Warum die Holländer mit Webb haderten, verstehe ich deshalb umso weniger. Er pfiff äußerst großzügig, war geduldig und ein engagierter Kommunikator. Die Fehlentscheidung des Spiels, die in meinen Augen keine war, der nicht gegebene Elfmeter für Xavi, schadete wenn überhaupt den Spaniern. Dass das Spiel nach einer ersten Halbzeit jenseits der Schmerzgrenze immer besser wurde, lag auch am Schiedsrichter. Natürlich hätte er die Ecke nach dem Freistoß geben müssen, aber daran jetzt die Niederlage fest zu machen, wäre etwas kleinkariert. Für Holland war die Nacht von Johannesburg die Fortsetzung des schlimmsten Alptraums in der Fußballgeschichte. Die Spieler vom Bayer Leverkusen des Weltfußballs reihten sich ein in die Ahnengalerie der Unvollendeten. Hoffentlich kommt in zehn Jahren niemand auf die Idee zu behaupten, sie hätten unverdient verloren. Spanien dominierte nicht so einseitig wie im Halbfinale, trotzdem waren sie überlegen. Spanien ist nicht nur der erste Weltmeister mit einer Auftaktniederlage, das erste siegreiche europäische Team außerhalb Europas, sie haben auch mit zwei verschiedenen Trainern die beiden größte Turniere hintereinander gewonnen. Gratulation an den immer still vergnügten del Bosque und die Meister des fraktalen Passes um Xavi und Iniesta.

Bitte beten Sie nach dem Signalton

chrismon ist das Magazin der Evangelischen Kirche in Deutschland, das unter anderem von Margot Käßmann herausgegeben wird und der Süddeutschen Zeitung zur allgemeinen Erbauung regelmäßig beiliegt. Natürlich gibt es dazu auch den dazugehörigen chrismonshop, wo man schoppenweise oder in der Flasche leckeren Meßwein und andere Weltlichkeiten erstehen kann. Zur WM 2010 und zu jedem anderen Hochamt der pantheistischen Zivilreligion des 20. Jahrhunderts gibt es dort jetzt das Buch „You’ll never walk alone“ zu erstehen. Mit CD. Für 16 Euro. Was auf den ersten Blick eine Sammlung der schrecklichsten Anekdoten aus der Geschichte der Regensburger Domspatzen vermuten läßt, ist tatsächlich die von Nils Husmann herausgegebene und von Kitty Kahane illustrierte „bekannte Fußballhymne„. Husmann ist nicht nur Redakteur von chrismon, sondern hat auch einen Namensdoppelgänger. Dieser spielt bei SG Aumund-Vegesack in der Bremen-Liga. Das Spielerprofil auf tranfermarkt.de weist ihn als dreiundzwanzigjährigen Mittelstürmer aus, sein Marktwert ist unbekannt. Unbekannt ist auch, ob einer der beiden Nilse den Satz „Liebe deinen Spielerberater wie dich selbst“ geprägt hat. Jedenfalls hat Manni Breuckmann das Nachwort zu dem Buch verfaßt. Getreu der Devise des hardest-working man in show business vor James Brown, Martin Luther, beherzigte Breuckmann stets die Hl. Dreifaltigkeit der Live-Schalte: Tritt frisch auf!, Tu’s Maul auf!, Hör bald auf! Nicht nur von Schalke-Fans wird er deshalb schmerzlich vermißt. „You’ll never walk alone“ wurde von 1945 von Rodgers & Hammerstein geschrieben und erklingt auf der CD unter anderem in Interpretationen von Mahalia Jackson und Gerry & the Pacemakers, die daraus 1963 einen Nummer-Eins-Hit schufen. Sollte es also am Samstag in der 88. Minute 2-1 für Argentinien stehen, weiß die Gemeinde, wo im Gesangsbuch sie nachzuschlagen hat: Don’t be afraid of the dark. Den Rest wird Klose dann schon richten.